Königsklingen (First Law - Band 3)
erkannte: Wenn man zu den kleinsten Einzelheiten durchgedrungen ist, gibt es nichts Langweiligeres als die unbeschränkte Macht.
»Und nun zu einer traurigen Angelegenheit«, erklärte Hoff, nachdem die letzte Auseinandersetzung in einem zögerlichen Kompromiss verpufft war. »Unser Kollege, Lord Marschall Burr, ist tot. Sein Leichnam wird derzeit aus dem Norden zurück zu uns gebracht, und er wird mit allen Ehren bestattet werden. In der Zwischenzeit ist es jedoch unsere Pflicht, eine Empfehlung bezüglich seiner Nachfolge auszusprechen. Es ist der erste Sitz, der seit dem Tod des geschätzten Lordkanzlers Feekt neu besetzt wird. Lord Marschall Varuz?«
Der alte Soldat räusperte sich und zog ein Gesicht, als wisse er, dass er im Begriff stand, eine Schleuse zu öffnen, deren Fluten sie alle ertränken konnte. »Es gibt zwei offensichtliche Bewerber für diesen Posten. Beide sind Männer, die sich durch Tapferkeit und Erfahrung eindeutig ausgezeichnet haben und deren Verdienste diesem Rat gut bekannt sind. Ich bin mir sicher, dass sich sowohl General Poulder als auch General Kroy bestens ...«
»Es besteht ja wohl kein Zweifel, dass Poulder der bessere Mann ist!«, unterbrach ihn Sult in abfälligem Ton, und Halleck pflichtete ihm sofort bei.
»Im Gegenteil!«, zischte Marovia, und sein Lager unterstützte ihn mit zornigem Gemurmel. »Ganz offensichtlich ist Kroy die bessere Wahl!«
Es handelte sich um ein Gebiet, bei dem Jezal glaubte, als Offizier mit gewisser Erfahrung durchaus etwas Sinnvolles beitragen zu können, aber kein einziges Mitglied des Geschlossenen Rates schien auf den Gedanken zu kommen, ihn um seine Meinung zu fragen. Er ließ sich missmutig gegen die Lehne seines Stuhles sinken und nahm wieder einen Schluck Wein aus seinem Kelch, während die alten Wölfe gehässig nacheinander schnappten.
»Vielleicht sollten wir diese Angelegenheit später ausführlich diskutieren!«, unterbrach Lord Hoff den zunehmend hitziger werdenden Streit. »Die feinen Einzelheiten ermüden Seine Majestät, und es besteht keine Dringlichkeit!« Sult und Marovia starrten einander an, sagten aber nichts. Hoff stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Nun denn. Unser nächster Punkt betrifft die Versorgung unseres Heeres in Angland. Oberst West schreibt in seinem Lagebericht ...«
»West?« Jezal richtete sich ruckartig auf, und seine Stimme war rau vom Wein. Der Name wirkte wie Riechsalz auf ein ohnmächtig werdendes Mädchen, er war wie ein fester und verlässlicher Fels, an dem man sich inmitten des ganzen Durcheinanders festklammern konnte. Wenn West nur hier gewesen wäre, um ihn zu unterstützen, dann hätte ihn das alles nicht so verwirrt. Er blickte auf den Stuhl, den Burr zurückgelassen hatte und der leer neben Varuz stand. Jezal war betrunken, schon möglich, aber er war König. Er räusperte sich, um wieder nüchterner zu klingen. »Oberst West soll mein neuer Lord Marschall sein!«
Verblüfftes Schweigen folgte. Die zwölf alten Männer starrten ihn an. Dann begann Torlichorm nachsichtig zu kichern, als wolle er sagen: »Na, wie bringen wir ihn denn nun am besten zum Schweigen?«
»Euer Majestät, Oberst West ist Ihnen persönlich bekannt und natürlich ein tapferer Mann ...«
Der ganze Rat hatte offenbar ein Thema gefunden, bei dem sich alle einig waren. »Der Erste, der die Bresche bei Ulrioch erstürmte«, murmelte Varuz kopfschüttelnd, »aber dennoch ...«
»Er ist zu jung und unerfahren und ...«
»Er ist ein Bürgerlicher«, sagte Hoff mit erhobenen Augenbrauen.
»Das wäre ein unangebrachter Bruch mit unseren Traditionen«, klagte Halleck.
»Poulder ist wesentlich ranghöher!«, fauchte Sult an Marovia gewandt.
»Kroy wäre der rechte Mann!«, bellte Marovia zurück.
Torlichorm lächelte zuckersüß, ähnlich wie eine Kinderfrau, die versucht, ein trotziges Kind zu beruhigen. »Sie sehen also, Euer Majestät, es geht nicht, wir können Oberst West unmöglich in Betracht ziehen ...«
Jezals leerer Kelch prallte mit lautem Krachen an Torlichorms kahle Stirn und flog klappernd in eine Ecke des Raumes. Der alte Mann heulte vor Schreck und Schmerz auf und rutschte von seinem Stuhl; aus einer langen Platzwunde rann ihm das Blut über das Gesicht.
»Es geht nicht?«, schrie Jezal, der aufgesprungen war, während ihm fast die Augen aus den Höhlen traten. »Sie wagen es, ›es geht nicht‹ zu sagen, Sie altes Arschloch? Sie alle sind mein, Sie alle!« Sein Finger fuchtelte wild durch die Luft.
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