Königsklingen (First Law - Band 3)
Aus irgendeinem Grund hielt ihn jeder für einen König, dabei war er doch offensichtlich nur ein selbstsüchtiger, ahnungsloser Trottel, der in seinem Leben kaum je mehr als einen Tag vorausgedacht hatte. Mit jedem Mal, wenn ihn jemand mit »Euer Majestät« ansprach, fühlte er sich mehr wie ein Betrüger, und mit jedem Augenblick, der verstrich, überraschte es ihn mehr, dass man ihn noch nicht enttarnt hatte.
Während er über den perfekten Rasen schritt, stieß er einen langen, selbstmitleidigen Seufzer aus. Er blieb ihm in der Kehle stecken. Neben einer Tür auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Ritter der Wacht so reglos da, dass Jezal ihn kaum bemerkt hatte. Er fluchte unterdrückt. Konnte man ihn nicht einmal für fünf Minuten ganz allein lassen? Als er näher trat, runzelte er die Stirn. Der Mann wirkte irgendwie vertraut. Ein großer, ungeschlachter Kerl mit rasiertem Kopf und ohne einen nennenswerten Hals ...
»Bremer dan Gorst!«
»Euer Majestät!«, sagte Gorst, und seine Rüstung schepperte, als seine schwere Faust gegen den polierten Brustpanzer schlug.
»Es ist eine Freude, Sie zu sehen!« Jezal hatte den Mann vom ersten Anblick an verabscheut, und im Fechtring von ihm vorgeführt worden zu sein, hatte seine Meinung über ihn auch nicht gerade verbessert, mochte er letztlich gewonnen haben oder nicht. Aber nun war jedes halbwegs vertraute Gesicht so willkommen wie ein Glas Wasser in der Wüste. Jezal überraschte sich sogar dabei, dass er dem Mann seine große Hand drückte, als seien sie alte Freunde, und er musste sich zwingen, sie wieder loszulassen.
»Eure Majestät ehrt mich über die Maßen.«
»Bitte, Sie müssen mich doch nicht so nennen! Wie kommt es, dass Sie in dieses Haus geraten sind? Ich dachte, Sie gehörten zur Garde von Lord Brock?«
»Der Posten dort hat mir nicht gefallen«, sagte Gorst mit seiner seltsam hohen, gequetschten Stimme. »Ich hatte Glück und fand vor einigen Monaten einen Platz bei den Rittern der Wacht, Euer Maj...« Er unterbrach sich hastig.
Ein Gedanke tauchte in Jezals Kopf auf. Er blickte über seine Schulter, aber es war niemand sonst in der Nähe. Der Garten war so still wie ein Friedhof, und der schattenumlagerte Kreuzgang so still wie eine Gruft. »Bremer – ich darf Sie Bremer nennen, oder?«
»Ich denke, mein König darf mich so nennen, wie es ihm gefällt.«
»Ich frage mich ... ob ich Sie wohl um einen Gefallen bitten dürfte?«
Gorst blinzelte. »Euer Majestät braucht es nur zu sagen.«
Jezal fuhr herum, als er hörte, dass die Tür sich öffnete. Gorst trat unter leichtem Rasseln von Waffen und Rüstung in den Wandelgang. Geräuschlos folgte ihm eine unter Mantel und Kapuze verborgene Gestalt. Wieder spürte er die alte Erregung, als sie die Kapuze zurückschlug und der Lichtschein von einem Fenster über ihnen den unteren Teil ihres Gesichts beleuchtete. Er sah ihren hellen, geschwungenen Hals, einen Mundwinkel, die Umrisse eines Nasenflügels, das Schimmern ihrer Augen in den Schatten, und das war alles.
»Ich danke Ihnen, Gorst«, sagte Jezal. »Sie dürfen uns jetzt allein lassen.« Der bullige Mann schlug sich gegen die Brust und trat in den Torgang zurück, dann zog er die Tür hinter sich zu. Natürlich war es alles andere als das erste Mal, dass sie sich heimlich getroffen hatten, aber jetzt war es doch ganz anders. Er fragte sich, ob es ein Ende mit Küssen und zärtlichen Worten geben würde oder einfach nur ein Ende. Der Anfang war jedenfalls alles andere als vielversprechend.
»Eure erhabene Majestät«, sagte Ardee mit der bittersten Ironie, zu der sie fähig war. »Welch eine überwältigende Ehre. Soll ich mich vor Ihnen auf den Bauch werfen? Oder reicht ein Knicks?«
So hart ihre Worte auch sein mochten, der Klang ihrer Stimme nahm ihm den Atem. »Knicks?«, brachte er hervor. »Weißt du überhaupt, wie das geht?«
»Ehrlich gesagt, nein. Ich wurde nicht für die höfische Gesellschaft erzogen, und dieses Versäumnis macht mir jetzt unglaublich zu schaffen.« Sie trat vor und warf einen düsteren Blick in den Garten. »Als kleines Mädchen handelten meine wildesten Träume davon, dass ich in den Palast eingeladen wurde, als Gast des Königs höchstpersönlich. Wir aßen feinstes Gebäck und tranken herrlichen Wein und führten wunderbare Gespräche über wichtige Dinge bis spät in die Nacht.« Ardee legte sich die Hände auf die Brust und flatterte mit den Augenlidern. »Ich danke dir, dass du einen der
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