Königsklingen (First Law - Band 3)
was man hört.«
Pike stieß nun zu ihnen, das verbrannte Gesicht grimmig verzogen. »Sie sind übers Meer gekommen und mit einem ganzen Heer an Land gegangen. Vielleicht haben sie schon Adua erreicht.«
»Jetzt warte mal.« Hundsmann wusste nichts über die Gurkhisen oder über Adua oder Midderland, aber sein schlechtes Gefühl verstärkte sich mit jedem Augenblick. »Was wollt ihr uns damit sagen?«
»Wir sind nach Hause beordert worden. Sofort.« Hundsmann starrte ins Leere. Von Anfang an hätte ihm klar sein müssen, dass es nicht so einfach sein konnte. Er packte West erneut am Arm und ließ seinen dreckigen Zeigefinger in Richtung Carleon zucken. »Wir haben nicht annähernd genug Leute, um diese Stadt zu belagern, wenn ihr abhaut!«
»Ich weiß«, sagte West, »und es tut mir leid. Aber ich kann nichts tun. Gehen Sie zu General Poulder!«, blaffte er einen jungen Mann an, der ein wenig schielte. »Sagen Sie ihm, er soll seine Division sofort für den Abmarsch in Richtung Küste vorbereiten!«
Hundsmann blinzelte, und ihm war schrecklich übel. »Also haben wir die sieben Tage auf den Hohen Höhen umsonst gekämpft? Tul starb, und die Toten mögen wissen, wie viele andere noch, für nichts?« Es überraschte ihn immer wieder, wie schnell etwas auseinanderbrechen konnte, sobald man sich nur ein bisschen darauf stützte. »Das war’s dann also. Zurück in die Wälder, in die Kälte, Laufen und Töten. Ohne Ende.«
»Vielleicht gibt’s ja einen anderen Weg«, sagte Crummock.
»Was für einen Weg?«
Der Häuptling der Bergmenschen hatte ein verschlagenes Grinsen aufgesetzt. »Du weißt es, nicht wahr, Blutiger Neuner?«
»Joh. Ich weiß es.« Logen sah aus wie ein Mann, dem klar ist, dass man ihn aufknüpfen wird, und der schon den Baum erblickt, über dessen Äste man die Schlinge wirft. »Wann musst du aufbrechen, Wildzorn?«
West runzelte die Stirn. »Wir haben hier sehr viele Leute, und die Straße ist ziemlich schmal. Poulders Division morgen, würde ich sagen, und Kroys dann übermorgen.«
Crummocks Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Also werden morgen noch den ganzen Tag hier haufenweise Männer sitzen und sich rund um Bethod eingegraben haben. Männer, die so aussehen, als wollten sie richtig lange bleiben, stimmt’s?«
»So könnte es sein, ja.«
»Gebt mir den morgigen Tag«, sagte Logen. »Gebt mir nur das, und vielleicht kann ich die Dinge ins Lot bringen. Dann komme ich mit euch nach Süden, falls ich noch leben sollte, und bringe alle mit, die ich überzeugen kann. Darauf mein Wort. Wir helfen euch gegen die Gurkhisen.«
»Welchen Unterschied kann ein einziger Tag bedeuten?«, fragte West.
»Joh«, brummte Hundsmann, »was kann ein Tag schon ausmachen?« Das Problem war, er erriet bereits die Antwort.
Wasser rann unter der alten Brücke hindurch, an den Bäumen vorbei und den grünen Berghang hinab. Weiter in Richtung Carleon. Logen sah ein paar gelben Blättern zu, die auf dem Wasser schwammen, sich immer wieder drehten und an den moosigen Steinen vorbeigetrieben wurden. Er wünschte sich, ebenfalls so davontreiben zu können, aber das war nicht besonders wahrscheinlich.
»Wir haben hier gekämpft«, sagte der Hundsmann. »Dreibaum und Tul, Dow und Grimm und ich. Forley ist in dem Wäldchen dort irgendwo begraben.«
»Willst du hingehen?«, fragte Logen. »Ihm einen Besuch abstatten und nachgucken, ob ...«
»Wofür? Ich glaub nicht, dass mir so ein Besuch guttun würde, und ich bin mir verdammt sicher, dass das bei ihm auch nicht anders ist. Nichts wird ihm noch guttun. So ist es nun mal, wenn man tot ist. Bist du dir sicher, was diese Sache angeht, Logen?«
»Siehst du eine andere Möglichkeit? Die Union wird nicht hier bleiben. Es ist vielleicht unsere letzte Gelegenheit, mit Bethod aufzuräumen. Da haben wir nicht viel zu verlieren, oder?«
»Dein Leben zum Beispiel.«
Logen holte tief Luft. »Mir fallen nicht allzu viele Leute ein, die dem einen besonders großen Wert beimessen würden. Kommst du mit runter?«
Hundsmann schüttelte den Kopf. »Ich glaub, ich bleib hier oben. Von Bethod hab ich fürs Leben genug gesehen.«
»Ist gut. In Ordnung.« Es war, als hätten alle Augenblicke in Logens Leben, alle Dinge, die er gesagt oder getan hatte, alle Entscheidungen, an die er sich kaum noch erinnerte, ihn hierhergeführt. Jetzt hatte er keine Wahl mehr. Vielleicht hatte er nie eine gehabt. Er war wie jene Blätter auf dem Wasser – er wurde mitgerissen, hinunter
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