Königsklingen (First Law - Band 3)
können? Er war der einzige Mann im Raum. »Ich muss feststellen, dass ich Ihnen gegenüber bisher viel zu großzügig gewesen bin und dass Sie mir meine Großzügigkeit irrtümlicherweise als Schwäche ausgelegt haben.« Die elf Zofen starrten ihn und ihre gestürzte Kameradin an, die auf dem Boden kauerte und sich die Hand vor den blutenden Mund hielt. »Wenn es eine Ihrer Hexen gelüstet, diese gefährlichen Gestade zu verlassen, dann werde ich eine Überfahrt für die Dame arrangieren und mich sogar frohen Herzens selbst an die Ruder setzen. Aber Sie, Majestät, gehen nirgendwohin.«
Terez war von ihrem Stuhl aufgesprungen und sah ihn mit finsterem Blick und starren Gliedern an. »Sie herzloser Unmensch ...«, setzte sie zischend an.
»Wir mögen uns beide von ganzem Herzen wünschen, dass es anders wäre«, brüllte er, sie unterbrechend, »aber wir sind verheiratet! Sie hätten Zeit gehabt, Ihre Einwände bezüglich meiner Herkunft, meiner Person oder irgendeiner anderen Einzelheit unserer Lage zu äußern, bevor Sie Königin der Union wurden! Sie können mich so sehr verabscheuen, wie Sie wollen, Terez, aber Sie ... gehen ... nirgendwohin.« Damit warf Jezal den wie vom Donner gerührten Damen einen drohenden Blick zu, wirbelte auf seinem polierten Absatz herum und schritt aus dem luftigen Salon.
Verdammt noch mal, ihm tat die Hand weh.
DER KREIS
Der Tag brach an, ein graues Ahnen, ein ganz leichter Anflug von Helligkeit auf den erhabenen Umrissen der Mauern von Carleon. Die Sterne waren am steinernen Himmel verblasst, aber der Mond hing noch dort, ein kleines Stück über den Baumspitzen, und schien fast so nahe, als könnte man einen Pfeilschuss darauf wagen.
West hatte die ganze Nacht über kein Auge zugetan und war in jenes seltsame Reich nervöser, traumartiger Wachheit geglitten, das hinter der völligen Erschöpfung lauert. Eine Weile hatte er in der schweigenden Dunkelheit gesessen, nachdem alle Befehle gegeben worden waren, und hatte sich im Licht einer einzigen Lampe daran versucht, einen Brief an seine Schwester zu schreiben. Um Entschuldigungen herauszukotzen. Um Vergebung einzufordern. Er hatte dagesessen, er konnte selbst nicht sagen, wie lange, und die Feder hatte über dem Papier geschwebt, aber die Worte hatten einfach nicht kommen wollen. Er hatte ihr alles sagen wollen, was er fühlte, aber als es dann so weit war, hatte er gar nichts gefühlt. Die warmen Tavernen von Adua, Kartenspiele im sonnigen Hof, Ardees schiefes Lächeln. Es kam ihm vor, als sei all dies tausend Jahre her.
Die Nordmänner waren bereits wieder geschäftig. Sie kürzten das Gras im Schatten der Mauern, und das Klappern ihrer Scheren beschwor auf seltsame Weise die Erinnerung an die Gärtner im Agriont herauf. Ein Kreis, dessen Durchmesser etwa ein Dutzend Schritt maß, wurde bis auf die Wurzeln heruntergeschnitten. Vermutlich war das der Platz, auf dem der Zweikampf stattfinden würde. Der Platz, auf dem sich in den nächsten ein oder zwei Stunden das Schicksal des ganzen Nordens entscheiden würde. Es erinnerte ihn sehr an einen Fechtring, wenn man davon absah, dass er schon bald mit Blut getränkt sein würde.
»Eine barbarische Sitte«, brummte Jalenhorm, dessen Gedanken offenbar in eine ähnliche Richtung gingen.
»Tatsächlich?«, knurrte Pike. »Ich dachte gerade so bei mir, dass es doch eigentlich sehr zivilisiert ist.«
»Zivilisiert? Zwei Männer, die einander vor den Augen einer großen Menge abschlachten?«
»Besser, als wenn sich eine ganze Schar von Leuten abschlachtet. Man löst ein Problem, indem nur ein einziger Mann getötet wird? Das erscheint mir eine gute Art und Weise, um einen Krieg zu beenden.«
Jalenhorm fröstelte und blies warmen Atem in die hohlen Hände. »Trotzdem. So viel hängt jetzt von zwei Männern ab, die gegeneinander kämpfen. Was, wenn Neunfinger verliert?«
»Dann wird Bethod frei abziehen können, nehme ich an«, sagte West unglücklich.
»Aber er hat die Union überfallen! Er hat den Tod Tausender Menschen verursacht! Er verdient, bestraft zu werden!«
»Die Menschen bekommen nur selten das, was sie verdienen.« West dachte an Prinz Ladisla, dessen Knochen draußen in der Einöde verrotteten. Manchmal blieben schreckliche Verbrechen unbestraft, und andere wurden allein aus einer Laune des Schicksals heraus reich belohnt. Er hielt überrascht inne.
Ein Mann saß allein am Hang, den Rücken der Stadt zugewandt. Ein Mann in einem abgewetzten Mantel und so sehr in
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