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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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mochten. Zunächst hielt er sich einhundert vor Augen, die nebeneinander in einer Reihe lagen. Dann zehn solcher Reihen, eine nach der anderen. Eintausend. Er kaute an seinem Daumennagel, den er bereits bis aufs Fleisch heruntergebissen hatte.
    »Und natürlich noch viele weitere Verletzte«, fuhr Varuz fort und drehte damit das Messer noch einmal in der Wunde. »Wir haben außerdem nur sehr wenig Platz, um sie unterzubringen. Zwei Bezirke sind zum Teil bereits von den Gurkhisen besetzt, und der Feind katapultiert seine Brandsätze beinahe bis in das Herz der Stadt.« Jezals Zunge suchte die Lücke zwischen seinen Zähnen, die immer noch leicht wund war. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die er auf den endlosen Ebenen unter dem gnadenlosen Himmel erlitten hatte, wie die Stiche durch sein Gesicht gefahren waren, während die Räder des Karrens quietschten und rumpelten.
    »Öffnen Sie den Agriont für die Verwundeten und jene, die ihre Häuser verloren haben. Nun, da die Truppen nicht in der Stadt sind, haben wir Platz. Die Kasernen können Tausenden eine Unterkunft und auch Nahrungsmittel bieten.«
    Bayaz schüttelte langsam den kahlen Kopf. »Das ist gefährlich. Wir wissen nicht, wen wir hineinlassen, ob vielleicht gurkhisische Spitzel oder Spione Khaluls darunter sind. Nicht alle sind das, was sie zu sein vorgeben.«
    Jezal knirschte mit den Zähnen. »Ich bin bereit, dieses Risiko einzugehen. Bin ich hier der König oder nicht?«
    »Das sind Sie«, knurrte Bayaz, »und Sie wären gut beraten, sich auch so zu benehmen. Dies ist nicht die rechte Zeit für Gefühlsduseleien. Der Feind rückt auf den Arnaultwall zu. An einigen Stellen ist er vielleicht nur zwei Meilen von unserem Standort hier entfernt.«
    »Zwei Meilen?«, wiederholte Jezal, und seine Augen huschten wieder nervös nach Westen. Der Arnaultwall zeichnete sich besorgniserregend nah als schmale graue Linie zwischen den Gebäuden ab, und von hier oben sah er nach einer erschreckend unsoliden Barriere aus. Eine plötzliche Angst packte ihn. Nicht das schuldige Gefühl, das er gegenüber jenen Menschen empfand, die sich dort befinden mochten, wo der Rauch aufstieg, sondern eine echte und ganz und gar persönliche Angst um sein eigenes Leben. Eine Angst, wie er sie gespürt hatte, als er zwischen den Steinen stand und die beiden Krieger mordlüstern auf ihn zugekommen waren. Vielleicht hatte er einen Fehler gemacht, indem er die Stadt nicht verlassen hatte, solange es noch ging. Vielleicht war es noch nicht zu spät, um ...
    »Ich werde an der Seite der Menschen der Union stehen oder fallen!«, rief er, über seine eigene Feigheit ebenso erzürnt wie über den Magus. »Wenn sie bereit sind, für mich zu sterben, dann bin ich auch bereit, für sie in den Tod zu gehen!« Damit wandte er Bayaz den Rücken zu und sah schnell in eine andere Richtung. »Öffnen Sie den Agriont, Marschall Varuz. Sie können die Verwundeten auch im Palast unterbringen, wenn es nötig sein sollte.«
    Varuz warf einen nervösen Blick auf Bayaz, dann verbeugte er sich steif. »Dann werden wir im Agriont Krankenlager einrichten, Euer Majestät. Die Kasernen werden für die Menschen geöffnet. Den Palast sollten wir einstweilen lieber geschlossen lassen, zumindest solange sich die Lage nicht verschlimmert.«
    Jezal wagte es kaum, sich vorzustellen, wie eine verschlimmerte Lage aussehen mochte. »Gut, gut. Kümmern Sie sich darum.« Er musste sich eine Träne unter seinem Auge wegwischen, als er sich von der schwelenden Stadt abwandte und zur langen Treppe hinüberging. Der Rauch, natürlich. Nur der Rauch.
     
    Königin Terez saß allein vor dem Fenster ihres großen Schlafgemachs.
    Die Gräfin Schalere lauerte immer noch irgendwo im Palast, aber offenbar verstand sie es nun, Jezal aus dem Weg zu gehen. Die übrigen Kammerzofen hatte Terez nach Styrien zurückgesandt, bevor die Gurkhisen den Hafen abgeriegelt hatten. Jezal wünschte sich von Herzen, er hätte seine Königin ebenfalls nach Hause schicken können, aber das war leider nicht möglich.
    Terez sah nicht einmal in seine Richtung, als Jezal die Tür schloss. Mühsam unterdrückte er einen schweren Seufzer, während er mit vom Nieselregen schlammigen Stiefeln und vom Ruß beschmierter Haut durchs Zimmer schritt.
    »Sie schleppen hier Dreck herein«, sagte Terez, ohne sich umzusehen, und ihre Stimme klang eisig wie immer.
    »Krieg ist ein dreckiges Geschäft, meine Liebe.« Er sah von der Seite, wie sich ihr Gesicht vor Ekel

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