Königsklingen (First Law - Band 3)
dumpfen Aufprall, als der Stein auf die kahle Stelle seines Kopfes schlug. Er keuchte, machte einen Satz vorwärts, und dann packte Ferro seinen schlaffen Körper unter den Armen und bettete ihn vorsichtig auf den Boden.
Nachdem sie den Stein zur Seite gelegt hatte, erleichterte sie den Mann mit einem gebogenen Finger um seine Schlüssel.
Als Ferro die Hand hob, um die Tür aufzustoßen, überfiel sie ein seltsames Gefühl. Wie eine kühle Brise an einem heißen Tag, erst überraschend, dann erfrischend. Ein Schauer, aber überhaupt nicht unangenehm, überlief ihren Rücken und ließ sie den Atem anhalten. Sie drückte mit der Hand gegen das wettergegerbte Holz, dessen Fasern warm und einladend über ihre Haut strichen. Dann schob sie die Tür gerade so weit auf, dass sie hindurchsehen konnte.
Eine schmale Brücke schwang sich von der Mauer des Agrionts, nicht mehr als einen Schritt breit und ohne Geländer oder Brüstung. Auf der anderen Seite traf sie die Mauern vom Haus des Schöpfers – eine hoch aufragende Klippe nackten Felsens, die schwarz im Regen schimmerte. Bayaz, Yulwei und Quai standen vor einem Tor am Ende dieses steinernen Pfades. Ein Tor aus dunklem Metall, in der Mitte mit hellen Kreisen geschmückt. Ringe aus Buchstaben, die Ferro nicht verstand. Sie sah, dass Bayaz etwas aus dem Ausschnitt seines Hemdes zog. Und dann begannen sich die Kreise zu bewegen, zu drehen, herumzuwirbeln, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Die Türen schwangen geräuschlos auf. Langsam, beinahe zögerlich verschwanden die drei Männer in diesem schwarzen Viereck und waren nicht mehr zu sehen.
Das Haus des Schöpfers stand offen.
Graues Wasser klatschte weit unten an harten Fels, als Ferro ihnen über die Brücke folgte. Der Regen küsste ihre Haut, und der Wind zupfte an ihr. Weit entfernt stiegen Rauchwolken über der schwelenden Stadt auf, hoch in den dreckigen Himmel, aber ihre Augen waren auf den gähnenden Eingang geradewegs vor ihr gerichtet. Sie hielt einen Augenblick auf der Schwelle inne, die Hände zu Fäusten geballt.
Dann trat sie in die Dunkelheit.
Auf der anderen Seite des Tores war es weder kalt noch warm. Die Luft war so still und flach und schweigend, dass sie schwer auf Ferros Schultern zu lasten und gegen ihre Ohren zu drücken schien. Ein paar gedämpfte Schritte, und alles Licht war verblasst. Wind und Regen und offener Himmel waren nur Träume, die in dunkler Erinnerung lagen. Sie fühlte sich, als hätte sie hundert Meilen unter der toten Erde zurückgelegt. Die Zeit selbst schien angehalten. Ferro kroch auf ein breites Tor zu und spähte hindurch.
Die Halle, die dahinter lag, war wie ein Tempel, aber selbst der große Tempel von Schaffa, in dem jede Stunde Tausende zu Gott beteten, hätte hier in seiner Gänze hineingepasst. Verglichen damit wirkte der große Kuppelsaal, in dem Jezal dan Luthar eine Krone aufgesetzt worden war, geradezu winzig. Die Halle war so groß, dass selbst die riesenhaften Gebäude des verfallenen Aulcus daneben klein erschienen. Ein Palast, gekrönt von ernsten Schatten, bevölkert von düsterem Widerhall, begrenzt von zornigem, unnachgiebigem Stein. Das Grab lange schon toter Riesen.
Das Grab vergessener Götter.
Yulwei und Bayaz standen in der Mitte des Raumes. Winzige, insektengleiche Gestalten in einem Meer schimmernder Dunkelheit. Ferro drückte sich ganz auf den kalten Boden und bemühte sich, ihre Worte aus den vielen Echos herauszufiltern.
»Geh zur Waffenkammer und hole einige der Klingen des Schöpfers. Ich werde nach oben gehen und ... dieses andere Ding mitbringen.«
Bayaz wandte sich ab, aber Yulwei hielt ihn am Arm fest. »Erst musst du mir eine Frage beantworten, Bruder.« »Welche Frage?«
»Jene, die ich immer stelle.«
»Schon wieder? Selbst jetzt? Nun gut, wenn es sein muss. Frage mich.«
Die zwei alten Männer standen endlos lange still. Bis die letzten Echos verhallt waren und nur ein Schweigen blieb, das schwer war wie Blei. Ferro hielt den Atem an.
»Hast du Juvens getötet?« Yulweis Flüstern zischte durch die Dunkelheit. »Hast du unseren Meister umgebracht?«
Bayaz wich nicht zurück. »Ich habe Fehler gemacht, vor langer Zeit. Viele Fehler, das weiß ich. Manche draußen im zerstörten Westen. Manche hier, an diesem Ort. Es vergeht kein Tag, an dem ich sie nicht bedaure. Ich kämpfte mit Khalul. Ich ignorierte die Weisheit meines Meisters. Ich spionierte im Haus des Schöpfers. Ich verliebte mich in seine Tochter. Ich war stolz
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