Königsklingen (First Law - Band 3)
und eitel und jähzornig, all das ist wahr. Aber ich habe Juvens nicht getötet.«
»Was ist an jenem Tag geschehen?«
Der Erste der Magi sprach die Worte, als seien sie ein Text, den er vor langer Zeit bereits einstudiert hatte. »Kanedias kam, um mich zu ergreifen. Weil ich seine Tochter verführt hatte. Weil ich seine Geheimnisse gestohlen hatte. Juvens aber gab mich nicht auf. Sie kämpften, ich floh. Ihr wilder Kampf erhellte den Himmel. Als ich zurückkehrte, war der Schöpfer verschwunden, und unser Meister war tot. Ich habe Juvens nicht getötet.«
Wieder folgte langes Schweigen, und Ferro blickte wie erstarrt zu den beiden Männern. »Nun gut.« Yulwei ließ die Hand von Bayaz’ Arm gleiten. »Dann hat Mamun gelogen. Khalul hat gelogen. Wir werden gemeinsam gegen sie kämpfen.«
»Gut, mein alter Freund, gut. Ich wusste, dass ich dir vertrauen kann, so wie du mir.« Ferro kräuselte die Lippen. Vertrauen. Es war ein Wort, das nur Lügner gebrauchten. Ein Wort, das die Wahrhaftigen nicht nötig hatten. Die Schritte des Ersten der Magi waren nun zu hören, während er auf einen der vielen Torbogen zuging und im Dämmerlicht dahinter verschwand.
Yulwei sah ihm nach. Dann seufzte er hart und schlich in eine andere Richtung, während seine Armreifen an den dünnen Handgelenken klapperten. Allmählich verhallten seine Schritte, und Ferro blieb allein mit den Schatten zurück, in Schweigen gehüllt.
Langsam, vorsichtig, schlich sie voran in die riesenhafte Leere. Der Boden schimmerte – verschlungene Linien aus hellem Metall, die in den dunklen Fels eingebettet worden waren. Die Decke, falls es eine gab, war in der Dunkelheit verborgen. Etwa zwanzig Schritt über ihnen lief eine hohe Galerie rund um die Mauern, eine weitere war hoch darüber auszumachen, noch eine und noch eine, die sich im Halblicht verloren. Über all dem hing ein wunderschönes Gebilde. Ringe aus dunklem Metall, große und kleine, schimmernde Scheiben und leuchtende Kreise, mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt. Sie alle bewegten sich. Ein Ring kreiste um den anderen, und in ihrer Mitte befand sich eine schwarze Kugel, der einzige Punkt völliger Ruhe.
Ferro drehte sich immer und immer wieder um die eigene Achse, oder vielleicht stand sie auch still, und der Raum drehte sich um sie. Ihr war schwindlig, sie fühlte sich trunken und atemlos. Der nackte Fels stieg in die Höhe, schwarze, rohe Steine, ohne Mörtel aufeinander gefügt, nicht einer wie der andere. Ferro versuchte sich vorzustellen, aus wie vielen Steinen der Turm bestand.
Aus Tausenden. Millionen.
Was hatte Bayaz gesagt, damals, auf der Insel am Ende der Welt? Wo versteckt der Weise einen Stein? Unter tausend anderen. Unter einer Million anderen. Die Ringe hoch über ihr bewegten sich sanft. Sie zerrten an ihr, und die schwarze Kugel in der Mitte zerrte am meisten. Wie eine Hand, die sie zu sich heranwinkte. Wie eine Stimme, die ihren Namen rief.
Sie grub die Finger in die trockenen Ritzen zwischen den Steinen und zog sich in die Höhe, eine Hand über die andere setzend, immer weiter hinauf. Es war ganz einfach. Als ob die Mauer wollte, dass sie erklettert wurde. Schon bald konnte sie die Beine über das Metallgeländer der ersten Galerie schwingen. Dann weiter, höher und höher, ohne Verschnaufpause. Sie erreichte die zweite Galerie, schweißüberströmt in der toten Luft. Dann kam sie nach Atem ringend auf die dritte. Schließlich packte sie das Geländer der vierten und schwang sich darüber. Dort blieb sie stehen und sah nach unten.
Weit unter ihr, auf dem Grund einer schwarzen Kluft, lag das ganze Weltenrund auf dem runden Boden der Halle ausgebreitet. Eine Landkarte, deren Küstenlinien aus schimmerndem Metall in den Stein eingelassen worden waren. Auf Ferros Augenhöhe, beinahe den ganzen Raum innerhalb der sanft geschwungenen Galerie ausfüllend und an Drähten hängend, die nicht dicker als Fäden waren, drehte sich langsam der große Mechanismus.
Finster blickte Ferro zu der schwarzen Kugel in der Mitte, und ihre Handflächen prickelten. Sie schien dort zu schweben, ohne irgendwo befestigt zu sein. Ferro hätte sich darüber wundern sollen, wie das sein konnte, aber sie beherrschte nur der eine Gedanke – wie sehr sie sich wünschte, diese Kugel zu berühren. Sie musste einfach. Sie hatte keine Wahl. Einer der Metallkreise schwenkte näher an sie heran und schimmerte matt.
Manchmal ist es am besten, die erste sich bietende Gelegenheit beim Schopf zu
Weitere Kostenlose Bücher