Königsklingen (First Law - Band 3)
unter diesen Umständen ...
Sie trat auf ihn zu und hob einen Arm. Er zuckte zurück und verzog gequält das Gesicht, als ein Stich durch seine Hüfte fuhr. »Entschuldigen Sie. Ich bin etwas aus der Übung.«
»Wenn ich das hier tun soll, dann aber richtig.« »Um das Beste daraus zu machen, meinen Sie?« »Um überhaupt irgendwas daraus zu machen.« Sie kam noch näher. Er musste sich zwingen, dort stehen zu bleiben, wo er stand. Sie sah ihm in die Augen. Dann hob sie die Hand, ganz langsam, und berührte seine Wange, so dass seine Augenlider flatterten.
Wie närrisch. Wie viele Frauen haben mich zuvor schon berührt? Und dennoch, das war in einem anderen Leben. In einem anderen ...
Ihre Hand streichelte sein Gesicht, und ihre Fingerspitzen griffen fest um sein Kinn. Sein Hals knackte, als sie ihn zu sich heranzog. Er spürte ihren Atem warm auf seiner Haut. Ihre Lippen strichen sanft über seine, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Er hörte, dass sie ein leises, kehliges Knurren ausstieß, und er hielt unwillkürlich den Atem an.
Schauspielerei natürlich. Wie könnte eine Frau diesen verrotteten Körper begehren? Dieses zerstörte Gesicht küssen? Selbst ich finde den Gedanken widerlich. Reine Schauspielerei, aber schon allein dafür, dass sie sich diese Mühe macht, muss ich ihr Beifall zollen.
Sein linkes Bein zitterte, und er stützte sich auf seinen Stock. Der Atem fuhr schnell durch seine Nase. Ihr Gesicht war schräg vor seinem, und ihre Münder trafen sich und saugten feucht aneinander. Ihre Zungenspitze leckte über sein leeres Zahnfleisch.
Reine Schauspielerei, wie könnte es anders sein? Aber sie macht das so überaus gut ...
DAS ERSTE GEBOT
Ferro saß da und starrte auf ihre Hand. Die Hand, die den Samen gehalten hatte. Sie sah genauso aus wie immer, und dennoch fühlte sie sich anders an.
Kalt, immer noch. Sehr kalt. Sie hatte sie in Decken gewickelt. Sie hatte sie in warmem Wasser gebadet. Sie hatte sie ans Feuer gehalten, so nahe, dass sie sich beinahe verbrannt hätte.
Nichts hatte geholfen.
»Ferro ...« Es flüsterte so leise, dass es beinahe auch der Wind am Fensterrahmen hätte sein können.
Ruckartig sprang sie auf, das Messer in der Hand. Starrte in alle Ecken des Zimmers. Sie waren leer. Dann beugte sie sich vor, um unters Bett zu sehen und unter den hohen Schrank. Sie riss die Vorhänge mit der freien Hand zur Seite. Niemand. Sie hatte gewusst, dass niemand da sein würde.
Und dennoch, sie hörte sie weiterhin.
Ein Klopfen ertönte von der Tür, und sie wirbelte wieder herum. Der Atem fuhr zischend durch ihre Zähne. Wieder ein Traum? Wieder ein Geist. Noch einmal wurde laut geklopft.
»Herein?«, knurrte sie.
Die Tür öffnete sich. Bayaz. Er hob eine Augenbraue, als er ihr Messer bemerkte. »Du bist den Klingen ein bisschen zu sehr zugetan, Ferro. Du hast hier keine Feinde.«
Sie starrte den Magus mit zusammengekniffenen Augen an. Sie war sich da nicht so sicher. »Was ist passiert, in diesem Wind?«
»Was passiert ist?« Bayaz zuckte die Achseln. »Wir haben gewonnen.«
»Was waren das für Gestalten? Diese Schatten.«
»Ich habe nichts gesehen, außer dass Mamun und seine Hundert Worte die Strafe erhielten, die sie verdienten.« »Hast du keine Stimmen gehört?«
»Über den Donner unseres Sieges? Ich habe nichts gehört.«
»Ich schon.« Ferro ließ das Messer sinken und schob es in ihren Gürtel. Dann streckte sie die Finger ihrer Hand, dieselbe wie immer, und dennoch verändert. »Ich höre sie immer noch.«
»Und was sagen sie dir, Ferro?«
»Sie erzählen von Schlössern und Toren und Türen, und davon, dass sie geöffnet werden. Immerzu reden sie vom Öffnen. Sie fragen nach dem Samen. Wo ist er?«
»In Sicherheit.« Bayaz blickte wie durch sie hindurch. »Denk immer daran, wenn du wirklich Geschöpfe von der Anderen Seite hörst, sie sind aus Lügen gemacht.«
»Darin sind sie nicht allein. Sie fordern mich auf, das Erste Gebot zu brechen. Genau wie du.«
»Das ist Auslegungssache.« Ein stolzer Zug spielte um einen seiner Mundwinkel. Als sei ihm etwas Wunderbares gelungen. »Ich habe Glustrods Erkenntnisse mit den Techniken des Meisterschöpfers veredelt und den Samen als Antrieb für meine Hohen Künste verwandt. Das Ergebnis war ...« Er machte einen langen, zufriedenen Atemzug. »Nun, du warst ja dabei. Es war in erster Linie ein Triumph des Willens.«
»Du hast mit den Siegeln herumgepfuscht. Du hast die ganze Welt aufs Spiel gesetzt.
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