Königsklingen (First Law - Band 3)
keine Gefahr. Aber vierzigtausend, das war doch eine sehr große Zahl aufgebrachter Menschen. Selbst, wenn es sich um Bauern handelte.
»Die Königstreuen bereiten sich schon vor: ein berittenes Regiment, eines mit Fußsoldaten. Jetzt fehlt nur noch ein Kommandant für dieses Unterfangen.«
»Hmm«, brummte Jezal. Er beneidete den Unglücklichen keineswegs um seine Aufgabe, ein Heer zu kommandieren, das einem Haufen Wilder gegenüberstand, fünf zu eins in der Überzahl und dann noch aufgeputscht von Selbstgerechtigkeit und kleinen Siegen, trunken vom Hass auf die Edelleute und das Königshaus, gierig nach Blut und Beute ...
Nun wurden Jezals Augen noch größer. »Ich?«
»Sie.«
Er suchte nach Worten. »Ich möchte nicht ... undankbar erscheinen, bitte verstehen Sie, aber, ich meine, es gibt doch sicher Männer, die dieser Aufgabe besser gewachsen wären. Lord Marschall, Sie selbst haben doch ...«
»Dies sind schwierige Zeiten.« Hoff sah Jezal streng unter seinen buschigen Brauen hervor an. »Sehr schwierige Zeiten. Wir brauchen jemanden ohne ... persönliche Verflechtungen. Wir brauchen ein unbeschriebenes Blatt. Sie erfüllen diese Anforderung hervorragend.«
»Aber ... mit den Bauern verhandeln, Euer Ehren, Lord Kronrichter, Lord Marschall, ich verstehe nichts von solchen Dingen! Ich verstehe nichts von den Gesetzen!«
»Wir wissen durchaus um Ihre Unzulänglichkeiten«, sagte Hoff. »Deswegen wird ein Vertreter des Geschlossenen Rates mit Ihnen kommen. Jemand, der auf all jenen Gebieten unbestrittenen Sachverstand besitzt.«
Eine schwere Hand legte sich plötzlich auf Jezals Schulter. »Ich sagte Ihnen doch, dass wir uns sicher eher früher als später wieder sehen werden, mein Junge!« Jezal wandte langsam den Kopf, und lähmende Verzweiflung breitete sich in seinem Innern aus. Dort stand der Erste der Magi, grinste ihm, nicht einmal auf Armeslänge von ihm entfernt, direkt ins Gesicht und war tatsächlich unvermittelt höchst anwesend. Es war im Grunde keine Überraschung, dass dieser kahle alte Klugscheißer an der ganzen Sache beteiligt war. Befremdliche und schmerzhafte Ereignisse schienen ihm zu folgen wie streunende Hunde dem Metzgerwagen.
»Das Bauernheer, wenn wir es denn so nennen wollen, lagert vier lockere Tagesmärsche von der Stadt entfernt, weit über das Land verstreut, und sucht nach Beute.« Varuz beugte sich mit langem Hals vor und stieß mit einem Finger auf den Tisch. »Sie werden sofort aufbrechen, um es abzufangen. Darin liegen unsere ganzen Hoffnungen, Oberst Luthar. Haben Sie Ihren Befehl verstanden?«
»Jawohl, Lord Marschall«, flüsterte Jezal, der versuchte, zumindest ein kleines bisschen Begeisterung dabei mitschwingen zu lassen, aber kläglich scheiterte.
»Dann sind wir also wieder beisammen, nicht wahr?«, gluckste Bayaz. »Da sollten die besser sehen, dass sie wegkommen, was, mein Junge?«
»Natürlich«, murmelte Jezal niedergeschlagen. Er hatte die Möglichkeit gehabt, all dem den Rücken zu kehren und ein neues Leben anzufangen, doch er hatte sie weggeworfen für einen oder zwei zusätzliche Sterne auf seiner Jacke. Zu spät erkannte er, welch schrecklichen Fehler er gemacht hatte. Bayaz’ Griff um seine Schulter verstärkte sich, zog ihn väterlich zu sich heran und machte keine Anstalten, ihn wieder loszulassen. Es gab wirklich keinen Ausweg mehr.
Jezal war in großer Eile, als er sein Quartier verließ, und er fluchte, während er seine Kiste hinter sich herschleppte. Es war wirklich eine fürchterliche Zumutung, dass man ihn sein eigenes Gepäck tragen ließ, aber er hatte es ausgesprochen eilig, wenn er die Union vor dem Irrsinn seiner eigenen Bürger retten wollte. Nur sehr kurz hatte er darüber nachgedacht, zum Hafen zu stürzen und sich auf das erste Schiff zu begeben, das ins weit entfernte Suljuk auslief, bevor er sich zornig von dieser Idee verabschiedet hatte. Er hatte die Beförderung mit offenen Augen angenommen, und nun, so sagte er sich, hatte er keine andere Wahl, als diese Aufgabe irgendwie zu bewältigen. Wenn man etwas tun muss, vor dem man sich fürchtet, dann geht man die Sache besser gleich an, statt lange mit der Angst zu leben, und so. Er drehte den Schlüssel im Schloss, wandte sich um und zuckte zusammen, wie ein kleines Mädchen vor Schreck keuchend. Da wartete jemand in den Schatten gegenüber seiner Tür, und sein Entsetzen vergrößerte sich noch, als er erkannte, wer es war.
Der Krüppel Glokta stand an der Wand,
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