Königsklingen (First Law - Band 3)
Marschall, wir werden morgen früh aufbrechen.«
»Keine Sorge?« Burr schnaubte. »Ich bin der Befehlshaber des Heeres Seiner Majestät. Sorgen sind mein Geschäft. Aber Sie sollten sich ein wenig Ruhe gönnen.« Mit einer Geste seiner dicken Hand bedeutete er West, das Zelt zu verlassen. »Wir sehen uns im Morgengrauen.«
Oben am Berghang spielten sie im Fackelschein in der ruhigen Nacht unter den Sternen eine Runde Karten, während sich weiter unten das Heer der Union, ebenfalls bei Fackelschein, hastig auf den Abmarsch vorbereitete. Lampen schwankten auf und ab, bewegten sich, Soldaten fluchten in der Dunkelheit. Klappern, Rasseln, schlecht gelaunte Rufe der Männer und die Geräusche der Tiere durchdrangen die Luft. »Heute Nacht wird wohl niemand Schlaf finden.« Brint hatte das Blatt gegeben und nahm seine Karten mit den Fingernägeln auf.
»Ich wünschte, ich wüsste noch, wann ich das letzte Mal mehr als drei Stunden Schlaf hintereinander bekommen habe«, sagte West. Wahrscheinlich war es in Adua gewesen, bevor seine Schwester in die Stadt gekommen war. Bevor ihn der Marschall in seinen Stab berufen hatte. Bevor er nach Angland gekommen war, bevor er Prinz Ladisla begegnet war, bevor er die Reise in den eiskalten Norden angetreten und das getan hatte, was er eben getan hatte. Er ließ die Schultern hängen und sah mit gerunzelter Stirn auf die eselsohrigen Karten.
»Wie geht es dem Marschall?«, fragte Jalenhorm.
»Viel besser, kann ich glücklicherweise sagen.«
»Dem Schicksal sei Dank.« Kaspa hob die Brauen. »Die Vorstellung, dass dieser Pedant Kroy ansonsten vielleicht Oberbefehlshaber würde, finde ich nicht besonders angenehm.«
»Poulder ist auch nicht besser«, sagte Brint. »Der Mann ist so gewissenlos wie eine Schlange.«
Dem konnte West nur zustimmen. Poulder und Kroy hassten ihn beinahe ebenso sehr, wie sie einander verabscheuten. Wenn einer von beiden das Kommando übernähme, dann würde er von Glück sagen können, wenn man ihn am nächsten Tag zum Latrinenputzen aborderte. Wahrscheinlich würde es keine Woche dauern, bis er mit dem Schiff nach Adua zurückgeschickt würde. Um dort Latrinen zu putzen.
»Haben Sie schon von Luthar gehört?«, fragte Jalenhorm.
»Was ist mit ihm?«
»Er ist wieder in Adua.« West hob ruckartig den Kopf. Ardee war auch in Adua, und der Gedanke daran, dass sie beide wieder zusammenkommen könnten, war nicht gerade aufbauend.
»Ich habe einen Brief von meiner Kusine Ariss erhalten.« Kaspa kniff die Augen zusammen, während er seine Karten umständlich auffächerte. »Sie sagt, dass Jezal irgendwo an einem fernen Ort war, auf irgendeiner Mission für den König.«
»Eine Mission?« West bezweifelte, dass irgendjemand Jezal einen Auftrag anvertraut hätte, der so wichtig war, dass man von einer Mission hätte sprechen mögen.
»Jedenfalls redet man in Adua im Augenblick wohl von nichts anderem.«
»Es heißt, er hätte einen Ausfall geführt oder so«, sagte Jalenhorm, »über eine Brücke.«
West hob die Augenbrauen. »Ach, tatsächlich?«
»Man sagt, er habe auf dem Schlachtfeld zwanzig Männer getötet.«
»Bloß zwanzig?«
»Und man sagt, er sei mit der Tochter des Kaisers ins Bett gegangen«, raunte Brint.
West schnaubte. »Aus irgendeinem Grund erscheint mir das von allen drei Dingen am wahrscheinlichsten.«
Kaspa stieß eine stotternde Lachsalve aus. »Na ja, was auch immer davon wahr sein mag, er ist jedenfalls zum Oberst befördert worden.«
»Schön für ihn«, brummte West. »Sieht so aus, als ob er immer auf die Füße fiele, dieser Bursche.«
»Haben Sie von diesen Unruhen gehört?«
»Meine Schwester hat in ihrem letzten Brief etwas erwähnt. Wieso?«
»Es war ein richtiger Aufstand, hat Ariss mir mitgeteilt. Tausende von Bauern zogen durchs Land, plündernd und brandschatzend, und haben jeden aufgehängt, der ein ›dan‹ im Namen trägt. Raten Sie mal, wer die Truppe befehligte, die sie aufhalten sollte?«
West seufzte. »Doch nicht etwa unser alter Freund Jezal dan Luthar?«
»Aber genau der, und er hat sie überzeugen können, wieder auf ihre Höfe zurückzukehren. Was sagt man dazu?«
»Jezal dan Luthar«, murmelte Brint, »und ein Händchen fürs gemeine Volk. Wer hätte das gedacht?«
»Ich nicht.« Jalenhorm leerte sein Glas und schenkte sich erneut ein. »Aber offenbar nennt man ihn nun einen Helden.«
»Und stößt in den Wirtshäusern der Stadt auf ihn an«, fügte Brint hinzu.
»Und beglückwünscht ihn
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