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Königsklingen (First Law - Band 3)

Königsklingen (First Law - Band 3)

Titel: Königsklingen (First Law - Band 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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im Offenen Rat«, sagte Kaspa.
    West schob die klimpernden Münzen mit der Handkante zu sich hinüber. »Ich würde gern behaupten, dass mich das überrascht, aber ich bin schon immer davon ausgegangen, dass ich eines Tages meine Befehle von Lord Marschall Luthar entgegennehmen werde.« Und es gäbe Schlimmeres, dachte er. Poulder oder Kroy zum Beispiel.
     
    Der erste rosa Schimmer der Morgendämmerung kroch über die Bergspitzen, als West den Hang zum Zelt des Lord Marschalls hinaufging. Es war längst Zeit, das Signal zum Aufbruch zu geben. Er salutierte grimmig vor den Wachen neben der Zelttür und schob die Leinwand beiseite. Eine Lampe brannte immer noch in der Ecke; sie tauchte die Landkarten, die Klappstühle und die Klapptische in ein rötliches Licht und füllte die Falten der Decken auf Burrs Bett mit schwarzen Schatten. West ging hinüber, dachte dabei an all die Aufgaben, die an diesem Morgen noch zu erledigen waren, und überprüfte im Geiste, ob er auch nichts vergessen hatte.
    »Herr Marschall, Poulder und Kroy warten auf Ihren Befehl zum Abmarsch.« Burr lag auf seinem Feldbett, die Augen geschlossen, den Mund geöffnet, und schlief friedlich. West hätte ihm gern noch eine Weile Ruhe gegönnt, aber die Zeit drängte. »Herr Marschall!«, stieß er knapp hervor und trat näher ans Bett. Noch immer rührte sich nichts.
    In diesem Augenblick erkannte West, dass sich die Brust seines Befehlshabers nicht hob und nicht senkte.
    Zögernd streckte er die Finger aus und hielt sie vor Burrs offenen Mund. Keine Wärme. Kein Atem. West fühlte, wie sich das Entsetzen langsam von seiner Brust bis in die Fingerspitzen ausbreitete. Es gab keinen Zweifel mehr. Lord Marschall Burr war tot.
    Der graue Morgen war bereits heraufgezogen, als der Sarg auf den Schultern von sechs feierlich dreinblickenden Wachleuten aus dem Zelt getragen wurde, während der Feldscher mit dem Hut in der Hand hinter ihnen her schritt. Poulder, Kroy, West und eine Reihe der höchstrangigen Offiziere säumten den Weg und ließen ihn an sich vorüberziehen. Burr selbst wäre mit der einfachen Holzkiste, in der seine sterblichen Überreste nach Adua zurückbefördert wurden, sicherlich höchst einverstanden gewesen. Sie war ebenso roh gezimmert wie die Särge, in denen das Heer die niedersten Einberufenen der Union beerdigte.
    West starrte den Sarg betäubt an.
    Der Mann, der dort drinnen lag, war ihm wie ein Vater gewesen oder hatte zumindest eine Rolle angenommen, die einem wahren Vater am nächsten gekommen wäre. Ein Mentor und Beschützer, ein Förderer und Lehrer. Ein richtiger Vater, eher jedenfalls als der brutale, betrunkene Wurm, mit dem ihn die Natur gestraft hatte. Und dennoch fühlte er keine Trauer, als er die rohe Holzkiste anstarrte. Er spürte Angst. Angst, was das Heer, aber auch, was ihn selbst betraf. Sein erster Impuls war nicht der zu weinen, sondern davonzulaufen. Aber es gab keinen Ort, an den er hätte fliehen können. Jeder Mann musste seine Aufgabe erfüllen, jetzt mehr denn je.
    Kroy hob sein spitzes Kinn und stand kerzengerade aufgerichtet da, als der Schatten des Sarges auf sie fiel. »Marschall Burr wird uns sehr fehlen. Er war ein tapferer Soldat und ein mutiger Offizier.«
    »Ein Patriot«, fiel Poulder ein, dessen Lippe zitterte, und er hatte eine Hand an die Brust gepresst, als wolle sie ihm vor Schmerz zerspringen. »Ein Patriot, der sein Leben für sein Vaterland gab! Es war mir eine Ehre, unter seinem Befehl zu dienen.«
    West hätte angesichts dieser Heuchelei kotzen können, aber leider war er auf beide dringend angewiesen. Der Hundsmann und seine Leute waren oben in den Bergen; sie zogen nach Norden und versuchten, Bethod in eine Falle zu locken. Wenn die Truppen der Union ihnen nicht folgten, und zwar zügig, dann würden sie keine Unterstützung bekommen, während der König der Nordmänner sie schließlich einholte. Dann hätten sie lediglich sich selbst ins Grab gelockt.
    »Ein schrecklicher Verlust«, sagte West und sah dem Sarg nach, der den Hügel heruntergetragen wurde, »aber wir werden ihn am besten damit ehren, indem wir weiterkämpfen.«
    Kroy nickte kurz und knapp. »Ein wahres Wort, Herr Oberst. Wir werden diese Nordmänner dafür bezahlen lassen!«
    »Das werden wir. Aus diesem Grund sollten wir uns auf den Abmarsch vorbereiten. Wir liegen bereits in unserem Zeitplan zurück, und ein präziser Ablauf ist unabdingbar für ...«
    »Was?« Poulder starrte ihn an, als vermutete er, West sei

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