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Koenigsmoerder

Koenigsmoerder

Titel: Koenigsmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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aus.
    Hier? In Veiras Cottage? Der Rucksack entglitt ihren Fingern. Sie hörte ein Klirren, als etwas darin zerbrach. Oder kam das Geräusch aus ihr selbst? Sie konnte es nicht sagen. Konnte nicht sprechen, konnte ihn nur anstarren, anstarren, anstarren...
    »Hallo, Dathne«, sagte Matt, ohne zu lächeln. »Willkommen im Schwarzen Wald.«
    Als Asher sich widerstrebend ins Bewusstsein zurückgetastet hatte, stellte er fest, dass er in einem anderen Käfig lag. Dieser befand sich draußen. Auf einem Karren mitten auf dem Marktplatz ‐ geradeso wie Jarralt es versprochen hatte.
    Das Stroh unter seinem zusammengekauerten Körper war besudelt und stank.
    An den Handgelenken und den Knöcheln befanden sich schwere Eisenfesseln, die mit einer kurzen, nicht minder schweren Kette verbunden waren. Die Innenflächen der Fesseln waren rau und rostig. Sie schürften ihm die Haut auf.
    Das Ungemach war gering im Vergleich zu
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    den gewaltigen Schmerzen im Rest seines geschundenen Körpers. Jarralt war gründlich gewesen. Und voller Begeisterung. Bastard!
    Es war dunkel. Spät. In der Luft schwebendes Glimmfeuer erfüllte den Platz mit sanftem Licht und Schatten. Einige Schritte von der Ecke seines Käfigs entfernt stand ein Wachposten mit stockgeradem Rücken in Hab‐Acht‐Stellung. Wenn er gewollt hätte, hätte er den Namen des Mannes laut rufen können.
    Er wollte es nicht. Außerdem war seine Kehle wie versprochen roh und angeschwollen. Nur eins hielt ihn davon ab, nicht in Verzweiflung zu versinken: Sie hatten Dathne nicht gefunden. Orrick war zurückgekehrt, um seinen Fehlschlag zu melden, wobei er sich geweigert hatte, Jarralts blutendes, stöhnendes Opfer anzusehen, das in seinen Ketten hing.
    Aha. Keine Dathne und auch kein Matt. Anscheinend hatte es ihn gerettet, dass er sich nach ihrem Streit irgendwo in einen Schmollwinkel verzogen hatte.
    Jarralt, dem weitere Opfer verwehrt geblieben waren, hatte vor Zorn getobt. Und er hatte diesen Zorn mit noch größerer Inbrunst an ihm ausgelassen. Asher schauderte bei der Erinnerung. Er wäre in diesen Stunden mit Freuden gestorben, weil er wusste, dass sie in Sicherheit war ‐ dass sie beide in Sicherheit waren ‐, aber Jarralt verstand sich bis zur Perfektion darauf, seinem Opfer unendliche Schmerzen zuzufügen und doch dafür zu sorgen, dass es die Schwelle des Todes nicht überschritt.
    Er blinzelte zitternd, um seinen von Schmerz getrübten Blick zu klären. Dann streckte er Arme und Beine, weil er die verkrampften Muskeln lockern musste.
    Sein stinkendes Strohbett raschelte und drückte sich gegen sein schmutziges Hemd, seine besudelten Hosen und sein verbranntes, blutverkrustetes Fleisch.
    Irgendwo in der Nähe schrie jemand auf.
    »Er ist wach! Der ketzerische Bastard ist wach!«
    Er hob den Kopf. Vier Wachen, nicht nur eine. Vier Männer, die einst seine Freunde gewesen waren, standen an jeder Ecke seines Käfigs. Er mühte sich, an ihren blauroten Uniformen vorbeizuschauen. Quälend langsam wurde die Welt um ihn herum deutlicher. Was er sah, ließ ihm das Herz im Leibe stehen bleiben, oder zumindest fühlte es sich so an. Jenseits des Käfigs, jenseits der Wa 301
    chen, jenseits des zuckenden Kreises aus Glimmfeuer wartete eine verdrossene Masse stummer Gesichter.
    Die Olken von Dorana waren gekommen, um sich an dem Verräter sattzusehen.
    Er zuckte zusammen, sog Luft durch die zusammengebissenen Zähne und zwang sich, sich aufrecht hinzusetzen, obwohl es so wehtat, dass er glaubte, er würde sich abermals übergeben müssen. Dort draußen waren Gesichter, die er erkannte ‐ Gildemeister, denen er Ratschläge gegeben hatte; Gildemitglieder, denen er geholfen hatte. Als er den Kopf drehte und über seine Schulter blickte, sah er weitere Freunde. Menschen, mit denen er unten in der Gans Bier getrunken hatte. Menschen, die gelacht hatten, wenn sie ihm begegnet waren.
    Die Rosen ohne Dornen geworfen hatten. Die geflirtet und geschmeichelt hatten.
    Die damit geprahlt hatten, ihn zu kennen. Menschen, die seinen Namen geschrien hatten, wenn er die Straße zur Halle der Gerechtigkeit hinuntergeritten war. Die ihn beobachtet hatten, als er zu Gericht gesessen hatte, und die ihm applaudiert hatten, als sei er ihr Held.
    Jetzt applaudierte niemand. Jetzt war er niemandes Held.
    »Schmutziger Ketzer!«, rief jemand aus der Menge.
    »Lügner!«
    »Verräter!«
    Jemand warf etwas. Ein Ei. Es zerbrach an den Gitterstäben des Käfigs, und sein stinkender, verfaulter Inhalt

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