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Können diese Augen lügen?

Können diese Augen lügen?

Titel: Können diese Augen lügen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Larkin
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Hasen.
    Janie spielte mit einem der Truthähne. Sie bohrte mit den Nägeln kleine Risse in seinen Schwanz. Der ganze Truthahn bewegte sich, der Kopf wackelte leicht, als wolle das Vieh mit mir reden.
    » Hör auf.« Ich beugte mich über den Tisch, um ihre Hand festzuhalten.
    » Tut mir leid«, entschuldigte sie sich. » Ich wusste ja nicht, dass du die Dinger aufheben willst.«
    » Will ich gar nicht. Aber hör auf, ihn zum Wackeln zu bringen.« Ich erschauerte.
    » Ach ja, ich habe deine Vogelphobie vergessen.« Sie lachte, dann legte sie die Truthähne einen nach dem anderen auf den Boden, damit ich sie nicht mehr ansehen musste.
    » Kennst du einen, kennst du alle«, lächelte ich.
    » Liebst du ihn eigentlich immer noch?«, fragte sie unverhofft, nachdem sie den letzten Truthahn weggeräumt hatte. Ihr Lächeln war verblasst.
    » Peter?«
    Sie nickte. Eine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel.
    » Ich glaube nicht«, erwiderte ich. Es war eine Erleichterung, das zu sagen und zu wissen, dass es wahr war. Obwohl ich allein war, lechzte ich nicht mehr nach dem Mann einer anderen. Ich stellte nicht länger jemandem nach, der meine Gefühle nicht erwiderte. Plötzlich begann ich zu weinen. Es kam mir vor wie ein Säuberungsprozess, der Gifte oder erloschene Gefühle aus mir herausspülte oder etwas in der Art.
    Janie stand auf, legte die Arme um mich und ihr Kinn auf meine Schulter. Eine ihrer Tränen rann an meinem Hals hinab.
    » Sind wir wieder Freundinnen?«, fragte sie.
    Ich saß eine Minute da und weinte mit ihr. Ihre Arme waren mager, aber stark. Sie drückte mich fest an sich. Ich musste an die vielen Gelegenheiten denken, als ich Janie umarmt und ihr versichert hatte, alles würde wieder gut werden, an die vielen Abende, an denen sie sich zum Kutschhaus hinübergeschlichen hatte, wenn Diane und Charles sich lautstark stritten. Mom und ich hatten sie dann auf der Couch zwischen uns genommen und fest in die Arme geschlossen.
    Da es sich so gut anfühlte, selbst auf diese Weise getröstet zu werden, schwieg ich eine Minute, bevor ich sagte: » Diane hat mir hundertfünfundsiebzigtausend Dollar dafür bezahlt, dass ich dich und Pete in Ruhe lasse.« Das Geständnis fiel mir schwer, aber ich wollte, dass kein einziges Geheimnis mehr zwischen uns stand.
    Sie schniefte, dann stand sie abrupt auf.
    » Du bist wirklich ein Stück Scheiße!« Sie griff nach ihren Schuhen, schlüpfte hinein und stellte die Füße nacheinander klickend auf den Boden.
    » Das bin ich ganz und gar nicht, Janie.«
    » Ich dachte, wir könnten diese Angelegenheit wie Erwachsene klären«, fauchte sie.
    » Wann wärst du je erwachsen gewesen?«
    » Was zum Teufel soll das denn heißen?«
    » Es soll heißen, dass dir immer alle alles abgenommen haben. Meine Mom. Deine Mom. Peter. Ich.« Ich wusste, dass ich ungerecht war; dass ich zu weit ging, aber ich konnte einfach nicht an mich halten. » Es muss doch nett sein, jedes Mal Mommy und Daddy anrufen zu können, wenn in deinem Leben etwas schiefgeht– sie zahlen jeden aus, der dir irgendwie in die Quere kommt.«
    Janie packte einen der Truthähne, warf ihn nach mir und rauschte aus dem Raum. Joe sprang auf und wollte ihr folgen, aber sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Ich hatte nur meinen wahren Gefühlen freien Lauf gelassen, dem Überdruss und der hilflosen Wut, die sich so lange in mir aufgestaut hatten, aber nachdem ich Janie das alles lautstark an den Kopf geworfen hatte, kam ich mir grausam und hässlich vor. Ich beobachtete sie eine Weile. Sie stand am Ende der Auffahrt und kreischte in ihr Handy, ich verstand einfach nicht, wie es möglich war, jemanden so gern zu haben und trotzdem so enttäuscht von ihm zu sein– sich zu fühlen, als würde Janie mir ständig etwas wegnehmen.
    In meinem Kopf spukte eine andere Van herum, deren Mutter gekellnert hatte, um ihr Studium zu finanzieren. Diese Van war in einer Mansarde in Mount Vernon aufgewachsen, wo es noch diese altmodischen Heizöfen gab, die nach schmelzender Kreide rochen. Die Fußböden knarrten, und der Wasserhahn im Bad tropfte, aber die Miete war niedrig, und sie und ihre Mom waren glücklich dort. Ihre Mom machte ihren Abschluss und wurde Kunstlehrerin, sie hatte im Sommer Ferien, und sie reisten zwei Monate im Jahr wie Zigeuner durch das Land, besuchten Orte wie Maine und Nova Scotia, sangen laut im Auto und aßen in verrückten kleinen Restaurants an der Straße. Diese Van lernte an der Universität von Rochester

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