Können diese Augen lügen?
mir vor der Hochzeit gegeben hatte, lag unter dem Poststapel. Ich griff nach dem Telefon, um Peters Mutter Scotty anzurufen, wählte aber nicht, ich hatte einfach keine Lust dazu, also legte ich das Telefon wieder weg. Ich sortiere erst die Post und rufe dann an, sagte ich mir, aber dann vertiefte ich mich in einen an Rocco Leonard oder ›Momentaner Bewohner ‹ gerichteten L.L.-Bean-Katalog. Ich blätterte Seiten mit Bildern von Reisetaschen mit Monogrammen und Lammfellslippern durch.
Ich stellte mir vor, wie Alex und ich unter eine rote Wolldecke gekuschelt in Fleecejacken vor einem Lagerfeuer auf Campingstühlen saßen und den Blick auf die Küste von Maine genossen. Ich blendete uns beide in jedes Bild ein und ging sogar so weit, die Ecken der Seiten mit Flanellhemden umzuknicken, die ihm gefallen könnten. Eine Anzeige für Männermode zeigte ein Model mit dunklem Haar und eckigem Kinn, das wie Peter aussah. Er stand in einem Blazer und Kakihosen neben einer Frau, die wirkte, als würden ihre Kleider nie knittern und ihre Haare sich nie kräuseln, auf einem Dock und lächelte ein breites, aufgesetztes Kataloglächeln.
Ich blätterte weiter, betrachtete Kaminzubehör und versuchte, an Alex und Holzrauch und Weihnachtsbäume zu denken. Ich konnte einfach mit Alex auf den Markt gehen und Peter und Janie vor vollendete Tatsachen stellen. Ich musste diese Party nicht veranstalten. Ich konnte tun, was ich mir vorgenommen hatte, und es ihnen überlassen, damit fertig zu werden.
Das Telefon klingelte. Ich wartete, bis sich der Anrufbeantworter einschaltete, doch mein Herz hämmerte, bis das Ding piepste, um mir mitzuteilen, dass ich eine Nachricht hatte.
» Hi, Van!« Es war Janie. » Ich vermisse dich so. Unser Flug hat Verspätung, aber wir können gleich einsteigen. Ich wollte nur kurz Hallo sagen. Kann es gar nicht erwarten, dir die Fotos zu zeigen. Und all die Magnete! Nat wäre stolz auf mich, aber ich sehe schwarz für deinen Kühlschrank.« Sie lachte. » Okay, jetzt geht’s los. Mach’s gut.«
Janie, Diane, Mom und ich hatten uns jahrelang scheußliche, extra für Touristen angefertigte Magnete gekauft, wenn wir irgendwo waren, wo es einen Souvenirladen gab. Janie und Diane brachten welche in Form des Eiffelturms oder der London Bridge mit, wenn Charles sie auf seine Geschäftsreisen mitnahm. Wir erstanden welche an Raststätten oder im Aquarium in Norwalk. Ziel war es, den kitschigsten Magnet überhaupt zu finden. Als Mom und ich während einer Reise südlich der Grenze Halt machten, entdeckten wir den Siegermagnet. An Dianes und Janies Kühlschrank klebte ein zwei Zentimeter breiter fluoreszierender pinkfarbener Sombrero, bis Charles sagte, er könne das Ding nicht mehr sehen, daher müsse es verschwinden. Danach unternahm der Sombrero zahlreiche Ausflüge; wurde heimlich an die Seite eines Autos geheftet oder in eine Tasche geschoben, wenn es keiner sah. Endlich ging er dann verloren. Niemand wusste genau, wer ihn zuletzt gehabt hatte. Wir hatten das Magnetspiel jahrelang nicht mehr gespielt, schon vor dem Tod meiner Mutter nicht mehr. Ich fragte mich, warum Janie es jetzt wieder aufleben ließ. Vielleicht vermisste sie meine Mom auch. Vielleicht vermisste sie die alten Zeiten.
Ich löschte alle drei Nachrichten von Peter, ohne ihm die Chance zu geben, mehr zu sagen als: » Hi, Van…«, » Hör zu, ich…« und: » Ich bin’s. Ruf mich zu…«
Außerdem war da noch eine Nachricht.
» Savannah, hi. Hier ist Scotty Clarke.« Sie sprach so schnell, als hätte sie Besseres zu tun, als Nachrichten zu hinterlassen. » Ich rufe an, um Ihnen kurz die Gästezahl für morgen früh durchzugeben. Wir haben achtzehn Zusagen und fünf Vielleichts, Janie, Peter und Sie nicht eingeschlossen. Wir sehen uns dann um elf.«
Mein Pulsschlag beschleunigte sich. Sogar Scotty hatte vor mir von der Party gewusst. Ich trank einen Schluck Kaffee. Er war zu heiß. Als ich ihn hinunterschluckte, verbrannte ich mich daran, und mir stiegen die Tränen in die Augen.
Während der Hochzeitsfeierlichkeiten war ich den Clarkes erfolgreich aus dem Weg gegangen, was nicht schwer gewesen war, weil sie keinesfalls ihrerseits meine Gesellschaft gesucht hatten. Das einzige Mal, das ich etwas Zeit mit ihnen verbracht hatte, war der Abend nach den Erstsemesterprüfungen gewesen.
Ich verbrachte Stunden damit, ein passendes Outfit zusammenzustellen. Die Basisstücke hatte ich schon ausgewählt– ein schwarzes Tanktop und einen langen
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