Köpfe für Carlita
öffentlich gar nicht äußern, aber ich bin schon der Ansicht, daß wir auf der Suche nach dem Täter auch eine Täterin in Betracht ziehen sollten.«
»Aber nicht die Frau auf dem Bild?«
Der Kollege hob die Schultern.
»Sind Sie der Meinung, daß es…?«
»Nein, das ist natürlich unmöglich«, unterbrach er mich schnell. »Aber ich kann nichts mehr sagen, denn Sie wissen selbst, daß das Wort unmöglich oft nicht stimmt. Das Leben bietet immer wieder verdammt grausame Überraschungen.«
»Da haben Sie allerdings recht, Antonio.«
Er räusperte sich. »Sie sollen mich auch nur begleiten und sich das Bild anschauen. Ich möchte gern wissen, was Sie bei diesem Anblick empfinden und ob Sie ebenso denken wie ich.«
Ein Lächeln umspielte meine Lippen. »Wie soll ich denn Ihrer Meinung nach denken?«
»Das weiß ich auch nicht. Aber Sie könnten doch auf Ihr Gefühl hören, wenn Sie vor dem Bild stehen.«
»Gefühle sind keine Tatsachen, aber ich werde mir das Gemälde trotzdem anschauen.«
»Sehr gut.« Sahnas klopfte auf den Tisch. »Ich habe den Bogen sehr weit gespannt, das weiß ich. Aber ich möchte Ihnen sagen, John, daß man in diesem Fall unkonventionelle Wege gehen muß. Auf anderen kommen wir nicht weiter. Da haben sich schon meine Kollegen die Zähne daran ausgebissen. Jetzt sind Sie so etwas wie eine letzte Hoffnung.«
»So fühle ich mich aber nicht.«
»Das spielt keine Rolle. Ich zahle jetzt, danach schauen wir uns das Bild an.«
»Wie Sie meinen, Antonio.«
»Danke.« Er lächelte und lehnte sich erleichtert zurück.
Carlita Moreno hatte die Terrassentür wieder geschlossen und auch die Jalousien herabfallen lassen und die Lamellen so schräg gestellt, daß niemand einen Blick in den Wohnraum werfen konnte.
Es kam zwar so gut wie nicht vor, daß in der Nacht jemand durch die Gärten der Häuser strich, es gab einfach zu viele Hunde als Wächter, aber sie wollte wirklich ganz sichergehen, denn vor ihr lag der zweite Teil der schaurigen Arbeit.
Den Korb mit seinem schaurigen Inhalt hatte sie mitgenommen und abgestellt. Der Champagner sollte nicht schal werden, und nach einem derartigen Sieg brauchte Carlita einfach eine Erfrischung. Deshalb schenkte sie ihr Glas bis hin zum Rand voll und leerte es bis auf einen geringen Rest in einem Zug.
Es tat ihr gut. Sie fühlte sich erfrischt, als hätte sie innerlich gebadet.
Danach hob sie den Korb wieder an und näherte sich dem Schrank.
Davor stellte sie ihn abermals ab. Sie schloß den Schrank auf und öffnete auch die schmale Geheimtür an der Rückseite. Wieder ging sie zurück, holte die Mordwaffe, um sie neben das Schwert zu stellen, wo beide versteckt standen.
Die üble Luft stieg aus der Tiefe hoch und wehte gegen ihre Nase. Es machte der Frau nichts aus, denn an diesen Grabgeruch hatte sie sich längst gewöhnt. Wenn er nicht mehr vorhanden gewesen wäre, dann hätte sie ihn sogar vermißt.
Carlita holte den Korb mit dem Kopf in ihr Versteck und zog die Schranktür von innen wieder zu, so daß sie in absoluter Dunkelheit stand, doch nicht sehr lange, denn Carlita hatte sich in den Schrank eine Lampe einbauen lassen. Sie betätigte den Schalter und wurde von einer grellen Helligkeit gebadet, die ihren Augen nicht guttat, an die sie sich jedoch rasch gewöhnte, denn sie schob sich zusammen mit dem Korb durch die schmale Tür und blieb vor einer Treppe stehen.
Es war eine uralte Steintreppe, die in die Tiefe führte. Schon vor Hunderten von Jahren, als an eine Villenbebauung noch nicht zu denken war, hatte es diesen Fluchtweg in die Tiefe gegeben. Er hatte zu einer kleinen Festung gehört, die jedoch im Laufe der Zeit dem Druck fremder Eindringlinge nicht hatte standhalten können und dem Erdboden gleichgemacht worden war.
Geschichtlich war diese Feste nur von geringer Bedeutung gewesen. So war sie auch nur in wenigen Büchern aufgeführt worden, aber Carlita hatte darüber Bescheid gewußt, und nicht grundlos hatte sie ihr modernes Haus genau an dem Platz bauen lassen, wo vor langer Zeit einmal die Festung gestanden hatte.
Von den Leuten, die das Haus errichtet hatten, wußte keiner Bescheid.
Selbst der Architekt war nicht informiert, und das kam ihren Plänen nur entgegen.
Das Licht aus dem Schrank floß bis zu den ersten beiden Stufen der Treppe hin, bevor es sich verlor. Weiter unten war es finster wie in einem Tintenfaß.
Carlita war guten Mutes. Sie summte ein spanisches Volkslied vor sich hin und entnahm aus einer
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