Köpfe für Carlita
Rätsel aufgeben.
Sie hatten alles in Bewegung gesetzt, ohne einen Erfolg erreicht zu haben. Sie hatten sich einfach zu dumm angestellt.
In den Zeitungen hatte Carlita alles verfolgen können, denn die Blätter hatten sich mit ihren Berichten nahezu überschlagen. Sie alle wollten mehr über den unheimlichen Köpfer wissen. Ja, Köpfer, so hatten sie geschrieben. An eine Frau dachten sie nicht im Traum, diese verfluchten Ignoranten!
Auf der anderen Seite war es auch gut, denn so würde keine Spur zu ihr führen.
Der Geruch von Verwesung verflüchtigte sich immer mehr, je höher Carlita kam. Als sie die Rückseite des Schranks erreichte, war er so gut wie nicht mehr zu riechen.
Sie ließ die Waffen dort stehen, wo sie waren, zupfte die Kleidung auf der Querstange wieder zu Recht und drückte erst dann die breite und schwere Tür auf.
Die Gegenwart hatte sie wieder und damit ihr Wohnzimmer. Das völlige Gegenteil zu der Welt in der Tiefe, aber Carlita konnte mit beidem leben und kam gut zurecht.
Beschwingt ging sie zum Kamin und stellte dort ihren Korb ab, weil er da am wenigsten auffiel. Sieben Köpfe, dachte sie. Für den Anfang schon ganz gut. Aber es sollten mehr werden, viel mehr. Sie mußte noch einiges tun, um mit ihrer mächtigen Vorfahrin mithalten zu können, und nicht nur, was das Sammeln von Köpfen anging, denn diese Frau damals hatte zu den wenigen gehört, denen Einblick in andere Philosophien gegeben worden war. Sie hatte sich den Strömungen aus dem Süden zugewandt und sehr viel gelernt, um dieses Wissen in Taten umsetzen zu können. Bis es dann zu einem Bruch gekommen war und sie das Wissen und Können gegen ihre Lehrmeister einsetzen mußte.
Das war zwar wichtig für Carlita, aber nicht so wichtig wie das Auto.
Dieser rote Oldtimer aus England mußte einfach verschwinden, und zwar so schnell wie möglich.
Die Dunkelheit der Nacht war Carlitas Verbündete. Aus einer Schublade holte sie die dunklen, dünnen Handschuhe hervor, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Sie nahm den Hausschlüssel mit und verließ das Gebäude.
Es war noch nicht sehr spät. Erst in etwas mehr als einer Stunde würde der neue Tag beginnen, und die hier wohnenden Menschen sorgten mal wieder dafür, daß die Nacht nicht unbedingt ruhig blieb. Auf den anderen Grundstücken wurde gefeiert. Carlita hörte es sehr deutlich, denn die Stimmen brandeten zu ihr hoch. Die Menschen hatten ihren Spaß, und ich habe ihn auch gehabt, dachte Carlita. Jeder eben auf seine Art und Weise.
Im Schatten des Hauses lief sie auf den Wagen zu. Das Tor stand noch offen, aber sie mußte das Gefährt erst wenden.
Der Triumph Spitfire hatte das Lenkrad auf der linken Seite, wie auf dem europäischen Festland üblich.
Den Mantel hatte Carlita Moreno nicht abgelegt. In seiner Seitentasche steckte auch der Zündschlüssel.
Die Frau stieg über die Tür hinweg, als sie wenig später hinter dem Speichenlenkrad ihren Platz einnahm. Ein derartiges Fahrzeug hatte sie noch nie gefahren, und sie hoffte, daß sie damit zurechtkam. Auf dem Beifahrersitz fand sie noch ein Handy. Sie würde es zusammen mit dem Fahrzeug im Meer versenken.
Carlita wollte den Motor anstellen, als sie plötzlich zusammenzuckte.
Das Handy meldete sich. Es klang in der Stille überlaut. Die Frau hatte den Eindruck, als könnten selbst entfernte Nachbarn dieses Geräusch hören.
Im ersten Moment war sie ratlos. Sprechen? Nein, höchstens nur auf Empfang stellen. Das tat sie, und kurz darauf tutete es. Nach dem
›Abnehmen‹ meldete sich eine Männerstimme. Wie ein Wasserfall redete der Unbekannte.
Carlita hatte Mühe, die schnell gesprochenen Worte zu verstehen, die auch hin und wieder von einem Schluchzen unterbrochen wurden. So erfuhr sie, daß die Mutter des Getöteten im Sterben lag und den nächsten Morgen wohl nicht erleben würde. Carlita kannte den Anrufer nicht. Sein Verhalten jedoch ließ auf einen nahen Verwandten schließen.
Bevor er noch ausgesprochen hatte, stellte sie den Apparat wieder ab, stieg noch einmal aus, warf das Gerät auf den Boden und zertrat es.
Erst jetzt war sie zufrieden. Und später auch, denn sie kam mit dem Wagen besser zurecht, als sie zuvor angenommen hatte. Es war zudem ein wunderbares Gefühl, mit einem offenen Wagen in dieser lauen Spätsommernacht die Serpentinen hinunterzufahren, dem Strand entgegen und einer kleinen Ortschaft, die von Touristen noch nicht überlaufen war.
Die Straße war leer. Carlita rollte an den anderen
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