Körper-Haft (German Edition)
was man unter dem Stockholm-Syndrom versteht, bei dem die Geiseln in einer Bank ihre Peiniger sogar in Schutz nahmen. Vielleicht war es aber auch das gleiche Prinzip, das in Sonderkommandos im Militär gedrillt wurde. To break and rebuilt you – Deinen Willen brechen und Dich neu formen.
Ich hatte als junger Erwachsener einen Skikurs bei einem ehemaligen Haudegen der Royal Colors , einer britischen Spezialeinheit, der nach seiner aktiven Phase im Militär nun Skikurse für völlig ahnungslose Touristen gab. In seiner militärischen Art machte er uns völlig nieder. Techniken von den wir geglaubt hatten, sie wären richtig, vernichtete er mit groben, geradezu verletzenden Worten. Alles, wirklich alles von dem man meinte, es bereits erlernt zu haben, zermalmte er unter seinen schweren Skistiefeln. Sein Ziel war es, uns auf einen Nullpunkt des Wissens zurückzusetzen, einen kompletten Reset durchzuführen, um unsere Festplatten neu zu formatieren. Wir sollten alles vergessen, was wir über das Skifahren gehört hatten, um sein Know how ohne Vorbehalte aufzunehmen. Er brach unseren Willen und unsere Erfahrung, nur um uns neu zu formen!
Die erste Hälfte der Gruppe sprang spätestens nach dem zweiten Tag erschrocken ab. Die verbliebene andere Hälfte teilte sich am folgenden Tag abermals. Das eine verbliebene Viertel war völlig paralysiert, aus dem anderen wurden begnadete Skifahrer! Ich hatte das Glück, zu jenem Viertel zu gehören, das die Holzhammermethode der Royal Colors nicht nur überstand, sondern letztlich davon profitierte.
Und ich hatte mir zum Ziel gesetzt, sowohl Mosquito als auch das gesamte BSS-Programm nicht nur zu überleben, sondern gestärkt daraus hervorzugehen. Wie hatte Duncan, mein Skilehrer immer gesagt: »Der Berg macht keine Fehler! Es liegt nur an Dir, wenn Du stürzt! Dem Berg ist es völlig egal, was Du machst, er weiß vermutlich nicht einmal, dass Du mit Deinen Stahlkanten auf ihm herumkratzt. Es hat also keinen Sinn, gegen ihn zu kämpfen, denn er gewinnt immer. Also versuche ihn einfach für Dich zu nutzen und er wird ein starker Freund!«
Ich hatte nicht geglaubt, dass seine philosophischen Betrachtungsweisen noch so lange in mir nachhallten, aber sie waren da!
»Trainiere Deine Schwächen und nutze die Gegebenheiten!«, echoten seine Worte in meinem Kopf.
Duncan, das alte schottische Schlitzohr! Wenn man die Ruhe eines Buddhas mit der absolut tödlichen Zielstrebigkeit eines Panthers paaren konnte, so war dies bei ihm geglückt.
Dass mir hier ausgerechnet Duncan und Mosquito halfen … Ich beschloss Duncans Leitsätzen zu folgen und trainierte nur noch stärker die Meditation und das Bewegen meiner Gliedmaßen. Außerdem gab ich mir größte Mühe, die Schmerzen in meinem Rücken so weit wie irgend möglich auszublenden. Was mir tatsächlich auch für den größten Teil der Tage in John Mc Lays Wunderbett gelang. Und ich beschloss, den dunkelsten Tag in meiner Vergangenheit neu zu beleuchten.
Licht im Dunkel
Der beste Weg, Antworten zu bekommen, war Fragen zu stellen. Und auch wenn es niemanden gab, dem man diese Fragen stellen konnte, hatte man immer noch das eigene Ich als Sparringspartner!
Mithilfe des Yogasenders hatte ich gelernt, dass es die unterschiedlichsten Formen der Meditation gab. Unter anderem die gegenständliche Meditation, bei der man sich auf ein Objekt konzentrierte und gedanklich darin versank. Oder eine Art Frage-Meditation, die einem inneren Dialog entsprach.
Allerdings kam man dabei immer wieder zur Kernfrage zurück und versuchte immer wieder neue Antworten zu reflektieren. Der wichtigste Punkt dabei war, eine qualitativ gute Frage zu stellen.
Um Licht ins Dunkel von Sunnys letztem Tag zu bringen, stellte ich mir folgende Frage: »Was war da, aber habe ich nicht bewusst wahrgenommen?«
Das war, als ob man einem Zauberer zuschaute und versuchte, hinter das Geheimnis eines Tricks zu kommen.
»Wenigstens das bin ich Sunny schuldig!«, dachte ich. Man hatte mich nicht einmal zu seiner Beerdigung gelassen, um Abschied zu nehmen. Ich hatte mir nur vorgestellt, wie man ihn in seiner letzten Behausung nach unten ließ. Unerreichbar, als würde der blumenumrankte Schacht geradewegs zum Mittelpunkt der Erde führen …
Ich schüttelte fröstelnd das Bild wieder ab, um mich meiner eigentlichen Frage zu widmen: »Was war da, aber habe ich nicht bewusst wahrgenommen?«
Es gab da ein paar Ungereimtheiten, die in weitere Fragen mündeten: »Wie war die
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