Kohärenz 01 - Black*Out
auf, kam herüber. »Schwesterlein, du siehst mich beeindruckt«, sagte er, immer noch schwer atmend von dem Kampf. Eine frische Strieme zierte seine Wange, ein Kratzer, den ihm die alte Frau zugefügt hatte.
Serenity schluckte. »Kannst du mal nachschauen, ob er noch lebt?«
»Ich glaube schon.« Er kniete sich vor dem Mann in der Lederkluft nieder, legte die Finger an dessen Hals. »Ja, keine Frage.« Er betastete den Schädel. Aus den Haaren sickerte, das bemerkte Serenity erst jetzt, Blut. »Das ist nur eine Platzwunde. Ich schätze, der kommt schneller wieder zu sich, als uns lieb ist.«
Er packte den Mann bei den Schultern, drehte ihn roh auf den Bauch und zerrte ihm die Arme auf den Rücken. Der grauhaarige Mann gab ein gurgelndes Stöhnen von sich. Kyle fesselte ihm die Handgelenke mit einer Mullbinde aus seinem Verbandskasten.
Christopher trat zu ihnen. »Wir können sie nicht mitnehmen«, sagte er. »Es sind Upgrader. Ihre Chips sind praktisch Peilsender.«
Kyle machte den letzten Knoten und stand auf. »Dann lassen wir sie hier.«
»Das kannst du nicht machen!«, protestierte Serenity. »So einsam, wie die Straße hier ist? Was, wenn tagelang niemand kommt? Dann verdursten die beiden!«
»Mein Mitleid mit Leuten, die Revolver auf mich richten, hält sich in Grenzen.« Kyle ging zu den Motorrädern hinüber, hockte sich neben sie auf die Fersen und studierte die Motoren. Nach kurzem Überlegen riss er an beiden Maschinen je ein Kabel und einen Schlauch heraus. Er ging damit zum Wagen, warf sie in den Kofferraum und kehrte mit einer Flasche Wasser und einem Messer zurück.
»Wir machen es folgendermaßen«, erklärte er und legte das Messer mitten auf die Straße. »Die beiden werden etwa eine Viertelstunde brauchen hierherzurobben und vielleicht noch mal zehn Minuten, bis sie sich gegenseitig die Fesseln durchgeschnitten haben. Mit ihren Motorrädern können sie nichts mehr anfangen, also werden sie wohl laufen müssen. Und damit sie nicht verdursten …« Er hob die Wasserflasche hoch und stellte sie neben den Motorrädern auf den Boden. »Haben Sie verstanden, was ich erklärt habe?«, rief er der gefesselten Frau zu, aber die warf ihm nur grimmige Blicke zu.
»Okay«, meinte Kyle achselzuckend. »Kommt, wir fahren.«
Die ersten paar Meilen herrschte Stille im Wagen. Jeder schien das, was sie gerade erlebt hatten, erst verarbeiten zu müssen.
Eine Frage gab es, die Serenity beschäftigte, umso mehr, je länger sie fuhren. Schließlich beugte sie sich zu Christopher hinüber und sagte leise: »Das mit dem Auto … dem Camaro … das hast auch du gemacht, oder? Auch mit diesem … Chip in deinem Riechnerv?«
Christopher nickte. »Je moderner ein Auto, desto mehr Elektronik hat es an Bord. Die neuen Modelle sind praktisch fahrbare Computer. Und lausig programmiert. Bei dem Camaro hatte ich über Bluetooth Verbindung mit dem Wartungssystem und sofort Zugriff auf die elektronisch gesteuerten Komponenten -«
»Okay, okay«, unterbrach Serenity ihn. »Erspar uns die Details. Ich wollte bloß wissen, ob du das warst.«
»Und ich wollte bloß sagen, dass es bei einer alten Karre nicht gegangen wäre.« Er machte eine knappe Geste, die anzeigte, dass er Kyles Geländewagen auch zu dieser Kategorie rechnete.
»Danke jedenfalls«, meinte Serenity.
Christopher verzog das Gesicht. »Es wäre besser nicht nötig gewesen. Die sind mir dadurch auf die Spur gekommen, verstehst du? Weil ich mein Interface aktiviert hatte. Und das, obwohl ich nicht mal im Internet war, geschweige denn im …« Er hielt inne, biss sich auf die Unterlippe. »Ziemlich beunruhigend. Vor zwei Wochen konnte ich so was noch machen, ohne dass die was davon gemerkt haben.«
»Ich höre immer die«, schaltete sich Kyle von vorne in das Gespräch ein. »Wer sind die?«
»Das wollte ich vorhin gerade erzählen«, sagte Christopher. »Als wir unterbrochen wurden.«
»Es ist also nicht die Polizei?«
»Nein.«
»Wer dann? Ein Geheimdienst? Banken?«
»Nein«, sagte Christopher. Er spähte aus dem Fenster, über die karge, weite Landschaft Nevadas. »Wir sind doch noch eine Weile unterwegs, oder? Ich muss das wirklich ausführlich erzählen. Es hat keinen Sinn zu versuchen, es in ein, zwei Sätzen zu sagen.«
»Schade«, erwiderte Kyle. »So eine Erklärung in ein, zwei Sätzen wäre genau nach meinem Geschmack gewesen.«
Christopher rieb sich den Nacken. »Ich war, glaube ich, gerade dabei zu erzählen, wie Linus, mein Dad und ich
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