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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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ähnlich.« Christopher erklärte ihm, wie groß das Ding war und dass es am Riechnerv saß. Und dass es mit autoaktiven Biokontakten ausgestattet war, die Verbindung mit Nervenfasern selbsttätig herstellen konnten.
    Dr. Connery schüttelte den Kopf. »Christopher! Gerade dir hätte ich mehr Intelligenz zugetraut. So etwas zu entfernen, wäre selbst in einem voll ausgerüsteten OP nicht einfach. Und du willst, dass ich das hier mache, in der tiefsten Wildnis? Ist dir klar, wie gefährlich ein solcher Eingriff unter diesen Umständen wäre?«
    Christopher spürte, wie sich etwas in seinem Unterleib zusammenballte. Angst.
    »Es drinzulassen, wäre noch gefährlicher. Und woanders ist der Eingriff nicht mehr möglich.«
    »Was heißt das? Sind die Upgrader schon so mächtig geworden?«
    »Sie kontrollieren fast alles.«
    Dr. Connery ließ sich auf einen der Baumstämme sinken, auf der anderen Seite des Feuers, Christopher gegenüber. »Erzähl uns die ganze Geschichte«, forderte er. »Ich habe nur den Anfang miterlebt, und der war schlimm genug. Ich muss wissen, ob es so gekommen ist, wie ich befürchtet habe.«
    Christopher war, als verfestige sich die Dunkelheit um sie herum. Als werde in diesem Augenblick die Nacht zu einem Kerker, der sie alle einschloss.
    Er sah zu Boden, schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Ist es nicht.«
    Ein Schweigen ringsum, dass man meinen konnte zu ersticken.
    Christopher hob den Blick wieder, sah den Mann an. »Es ist alles noch viel schlimmer«, flüsterte er.

 
Kohärenz
     
     
    38 | Christophers Vater und er hatten nicht viel Zeit, sich über das Verschwinden von Dr. Connery Gedanken zu machen, denn kurz danach starb Christophers Großmutter.
    Sie starb, weil sie blind war.
    Wäre sie nicht blind gewesen, hätte sie das Treppengeländer nicht verfehlt. Wäre nicht gestürzt. Hätte sich nicht zahlreiche schwere Brüche zugezogen, ein Unfall, von dem sie sich nicht mehr erholte. Sie wurde sofort ins Krankenhaus gebracht und operiert, bekam hohes Fieber, eins kam zum anderen, und zwei Wochen nach dem Sturz war sie tot.
    »Wir hätten ihr doch Augen bauen sollen«, sagte Christophers Großvater bei ihrer Beerdigung, gramgebeugt und tiefe Verlorenheit ausstrahlend.
    Christophers Mutter hatte sich schon auf dem Flug nach Frankfurt Sorgen gemacht, was nun mit ihrem Vater werden würde, allein in dem großen Haus. Ihn vor sich zu sehen, grau im Gesicht, mit leerem Blick und irgendwie geschrumpft, trug nicht dazu bei, diese Sorgen zu zerstreuen.
    Aber ihr Vater weigerte sich kategorisch umzuziehen, und von einem Altersheim wollte er erst recht nichts wissen. »Hier haben Ruth und ich unser ganzes Leben lang gewohnt. Wieso soll ich woanders sterben?«
    Sie würde ihn nicht umstimmen, so gut kannte Christophers Mutter ihren Vater. Also telefonierte sie herum und organisierte ihm eine Haushaltshilfe und Essen auf Rädern, damit er täglich zumindest eine warme Mahlzeit bekam: Kochen hatte Heinz Raumeister nämlich nie gelernt.
    »Wenn wir ihr Augen gebaut hätten …«, begann Opa noch einmal, als sie sich auf dem Flughafen verabschiedeten.
    »Das hätten wir nicht gekonnt«, erklärte ihm Dad. »Wir waren noch nicht so weit. Wir wären es auch heute noch nicht, selbst wenn wir weitergemacht hätten. Das ist alles komplizierter als gedacht.«
    Opa nickte traurig. »Sie hätte es ja auch nicht gewollt«, sagte er. »Ich weiß. Es ist nur …« Er beendete den Satz nicht.
    So kehrten sie zurück. Mom bestellte eine Vielfliegerkarte und pendelte zweimal im Monat nach Frankfurt. Dad wurde einem anderen Projekt zugeteilt, einer ziemlich langweilig klingenden Sache: Es ging darum, für ein Londoner Krankenhaus Software zur Erfassung von Patientendaten zu entwickeln. Drei Leute der Firma arbeiteten schon seit einem Jahr daran, Dad würde der vierte Mann im Team sein.
    Christopher hatte die ganze Zeit daran denken müssen, wie seine Großmutter ihm, kurz bevor sie erblindet war, ein silbernes Medaillon mit einer Halskette geschenkt und erklärt hatte: »Das hat schon meiner Großmutter gehört. Es soll dich auf allen Wegen beschützen.« Christopher hatte das Bild darauf betrachtet – ein Mann mit einem Wanderstab, der durch einen Fluss stapfte – und nicht verstanden, wie das funktionieren sollte. Also hatte er es in seine Nachttischschublade gelegt und dort vergessen.
    Nun kam es ihm vor, als habe es seiner Großmutter Unglück gebracht, es wegzugeben. Als sie wieder in England waren,

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