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Kohärenz 02 - Hide*Out

Kohärenz 02 - Hide*Out

Titel: Kohärenz 02 - Hide*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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veranlasste Neal Lundkvist unwillkürlich dazu nachzudenken, ja, wer denn noch fehlte von der Gruppe.
    »Nur noch die Kinder«, sagte jemand und niemand widersprach.
    Niemand sagte: »Brian Dombrow.« Niemand sagte: »Jeremiah, einer deiner ältesten Freunde hat sich schon abgesetzt.«
    Neal Lundkvist hielt seine Handflächen den Flammen entgegen und fragte sich zum ersten Mal, ob Jeremiah Jones womöglich an Realitätsverlust litt.

48 | Während der Fahrt bemerkte Christopher irgendwann, dass George einen Stapel selbst gebrannter CDs in dem Fach unter dem CD-Player liegen hatte, die mit Stichworten wie »Spring Pow Wow« oder »Sun Dance« handbeschriftet waren. Erfreulicherweise machte George keine Anstalten, eine davon einzulegen; er fuhr einfach Kyles staubigem Geländewagen hinterher, schweigsam wie eh und je.
    Christopher betrachtete das Gebilde, das vom Rückspiegel herabhing und das ihm schon aufgefallen war, als Madonna ihn zu dem Internet-Cafe gefahren hatte: Es war ein filigranes Geflecht aus Holzperlen, bunten Schnüren und Vogelfedern; zweifellos ein indianischer Kunst- oder Kultgegenstand.
    Ein Aufkleber mit der Aufschrift »Freedom for Leonard Peltier« reichte quer über das halbe Armaturenbrett. Christopher hatte keine Ahnung, wer das sein mochte.
    Er warf George einen kurzen Blick zu. Der sah stur geradeaus, steuerte den Wagen mit eiserner Ruhe und beachtete ihn nicht.
    Christopher stieß unzufrieden den Atem aus, den er aus irgendeinem Grund angehalten hatte. Er verstand nichts von diesen Dingen. Es gab so vieles im real life, das er nicht verstand. Er hatte bis jetzt mit den Computern genug zu tun gehabt.
    Er schaute aus dem Fenster, versuchte herauszufinden, wo sie sich überhaupt befanden. Im Moment hatte er keinerlei Vorstellung. Irgendwo in den nördlichen Staaten eben. Es interessierte ihn auch nicht wirklich. Auf jeden Fall blieben die Wälder hinter ihnen zurück und vor ihnen wurde das Land immer flacher und weitläufiger, wurde die Vegetation immer kümmerlicher. Das war es wohl, was man Prärie nannte.
    »Kann ich dich was fragen?«, meldete sich George plötzlich zu Wort.
    Christopher zuckte richtiggehend zusammen. »Ja«, sagte er. »Klar.«
    »Ist das anstrengend? Diesen Chip zu kontrollieren?«
    »Es geht.« War es anstrengend? Nicht mehr. Es war ein bisschen so, als drücke man den Finger auf ein Loch in einer Wasserleitung, um sie am Tropfen zu hindern: Man musste nichts weiter machen, als den Finger lassen, wo er war – aber man durfte ihn auch nicht wegnehmen. »Es geht schon automatisch.«
    »Es ist also kein Problem, wenn du dich nebenher unterhältst?«
    »Bis jetzt nicht.«
    »Und wenn es eine schwierige Unterhaltung werden würde?«
    Christopher hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Müsste auch gehen. Im Moment jedenfalls. Es könnte sein, dass es anders wird, wenn ich müde werde.«
    »Ich würde dich nämlich gern etwas fragen.«
    »Ja?«
    George hielt den Blick unverwandt auf die Straße gerichtet und ließ ein paar Sekunden verstreichen, ehe er fragte: »Kann es sein, dass du in meine Schwester verliebt bist?«
    »Was?« Christopher hatte das Gefühl, knallrot anzulaufen. Auf jeden Fall wurde ihm auf einmal unglaublich heiß. »Wie kommst du auf die Idee?«
    Jetzt bedachte ihn George doch mit einem knappen Seitenblick. »Alles okay mit deinem Chip?«
    »Ja«, sagte Christopher. Tatsächlich hatte er den Chip einen Sekundenbruchteil lang losgelassen, aber instinktiv reagiert, als dieser sofort versucht hatte, sich ins Netz einzuklinken. »Alles okay.«
    »Ich komme auf die Idee, weil du sie die ganze Zeit anschaust.«
    »Wieso soll ich sie nicht anschauen?« Was sollte das jetzt werden? Der große Bruder, der die Ehre der Schwester bewahren will, oder was? »Sie hat von ihrer Musik erzählt. Es ist doch ganz normal, dass man jemanden anschaut, der redet.«
    »Ja, schon. Aber du schaust sie immer dann an, wenn sie woandershin schaut, und wenn sie den Kopf in deine Richtung dreht, siehst du schnell weg.«
    Christopher wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Es stimmte. Er hatte darauf geachtet, dass sie es nicht bemerkte. Dass es jemand anders bemerken könnte, daran hatte er nicht gedacht.
    »Ich wollte dir bloß sagen«, fuhr George fort, »dass du dir keine Hoffnungen machen solltest. Madonnas Herz ist nicht offen für diese Art Freundschaft, zumindest nicht zur Zeit. Ihr Herz gehört der Musik und nur der Musik. Sie hat einen Weg zu gehen, und solange sie ihn nicht

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