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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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trat. »Ja«, sagte Serenity.
    Mehr gab es nicht zu bereden. Sie standen da und sahen zu, wie die Sonne aufstieg, den Silberschleier von der Landschaft zog und die märchenhafte Stimmung vertrieb. Dann gingen sie hinein, um Frühstück zu machen. Es würde heute warm werden, das spürte man.
    Danach wusch sie sich, während Christopher und Guy die Computer aufbauten. Es gab ein winziges Waschbecken mit einem grünen Vorhang darum herum, daneben führte eine Tür in die Toiletten-Dusch-Kombination, die kaum groß genug war, um sich darin umzudrehen. Mein Kleiderschrank zu Hause ist größer, dachte Serenity, und dabei musste sie natürlich unweigerlich an Santa Cruz denken und an das Haus, in dem Mom und sie gelebt hatten und das jetzt seit über zwei Monaten leer und verlassen stand und um das sich niemand mehr kümmerte. War das noch ein Zuhause? Auf einmal war sich Serenity sicher, dass sie nie wieder dorthin zurückkehren würde.
    Sie betrachtete sich im Spiegel. Gut, dass ihr Gesicht sowieso nass war. Da konnte man nicht sagen, ob Tränen flossen oder ob es sich nur so anfühlte.
    Als sie den Vorhang aufzog, standen zwei Computer auf dem Tisch am Fenster, beide angeschlossen an einen der schwarzen Kästen aus dem Schrank. An einem Gerät, erklärte Guy, würden Christopher und sie arbeiten, am anderen er.
    Was natürlich darauf hinauslaufen würde, dass Christopher arbeitete und sie ihm dabei zuschaute. Aber es ging ja darum, dass vier Augen mehr sahen als zwei.
    Guy erklärte ihnen, wie das Programm funktionierte, mit dem sich die Videoaufzeichnungen sichten ließen. Er hatte es selber geschrieben. »Die Programme, die es zu kaufen gibt, kommen alle schwer ins Keuchen bei derartigen Datenmengen«, sagte er zur Begründung und hauptsächlich an Serenity gewandt, weil sie ihn danach gefragt hatte. »Ein Tag komplett auf Video – vierundzwanzig Stunden also – entspricht etwa zwölf fetten Spielfilmen.« Er deutete auf den schwarzen Kasten, die Vier-Terabyte-Platte. »Auf so einer Platte sind hundertzwanzig Tage aufgezeichnet. Kannst es dir ausrechnen.«
    Mit Spielfilmen hatte das, was der Bildschirm zeigte, allerdings herzlich wenig zu tun. Dadurch, dass die Kamera in der Brille saß und damit jeder Bewegung des Kopfes folgte, waren alle Aufnahmen so wacklig und voller wilder Schwenks, dass man Mühe hatte, irgendetwas zu erkennen. Die ersten Minuten musste Serenity immer wieder wegschauen, weil ihr fast schlecht wurde. Und der Ton war blechern; das meiste, was gesagt wurde, war kaum zu verstehen.
    Wenn das Kunst sein sollte, dann ging es Serenity damit wie mit beinahe allem, was man ihr bislang an moderner Kunst präsentiert hatte: Sie fand es einfach nur seltsam.
    Derweil sprachen Guy und Christopher schon über die Kohärenz. »Ich hab hin und her überlegt, vor- und zurückgespult«, sagte Guy, »und lande immer wieder bei demselben Schluss, nämlich, dass die ganze Sache am achtzehnten März angefangen hat. Ein Freitag. An dem Abend habe ich bemerkt, dass mir jemand im Netz folgt. Jemand, der verdammt gut war. Unmöglich, ihn zu fassen oder zu identifizieren. Ziemlich beunruhigend, weil ich mir ja einbilde, in solchen Dingen einiges draufzuhaben.« Er kratzte sich das immer noch unrasierte Kinn. »Ich hab erst gedacht, es sind die Nigerianer. Mit denen hab ich mich Anfang des Jahres verkracht. Es wäre gut möglich gewesen, dass sie mir einen Spion auf den Hals gehetzt haben.«
    »Nigerianer?«, wunderte sich Serenity. »Was ist das für eine Story?«
    »Das sind Typen aus Lagos, die seit ... puh, zehn Jahren oder so eine Masche abziehen, die seltsamerweise immer noch funktioniert. Die läuft normalerweise so: Sie verschicken eine Mail, in dem jemand behauptet, er sei der Anwalt oder der Bankbetreuer oder der Bruder oder was weiß ich von einem Mr Soundso, der es in Südafrika oder in Ghana oder sonst irgendwo zu enormem Reichtum gebracht hat. Leider, leider ist derjenige ohne Nachkommen oder sonstige Erben verstorben und nun gibt es angeblich ein Konto, auf dem noch zehn, fünfundzwanzig, wahlweise auch achtzig Millionen US-Dollar liegen. Je mehr, desto besser. Geld auf jeden Fall, das der Staat einkassieren wird, es sei denn, man schmuggelt es außer Landes. Und genau das hat der Absender des Mails angeblich vor. Bloß braucht er dazu ein Konto in einem anderen Land, auf dem er das Geld für eine Weile parken kann. Und dieses Konto braucht er so dringend, dass er demjenigen, der ihm eines zur Verfügung

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