Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
bugsierten sie das Pärchen in den Wagen.
    Das war eigenartig. Serenity und Cécile kümmerten sich um das Mädchen, hoben sie hoch, veranlassten sie, die paar Schritte zu tun: Sie ließ es mit sich geschehen, aber sie setzte den Bewegungen einen gewissen Widerstand entgegen. Man hatte das Gefühl, es mit jemandem zu tun zu haben, der sehr, sehr geistesabwesend war. So ähnlich stellte sich Serenity den Umgang mit Schlafwandlern vor.
    Das Ganze hatte keine zehn Minuten gedauert. Auch der Abschied fiel kurz aus. Jean-Luc wechselte noch ein paar Worte mit Guy, dann sagten sie »Au revoir!« und Serenity fiel noch ein »Bonne chance« ein. Dann winkten sie und fuhren davon.
    Und für einen Moment wurde es still, so still, als seien sie drei die letzten Menschen auf Erden.
    Die Sonne stand tief im Westen, ließ zerfaserte Wolken golden aufleuchten. Es würde noch eine ganze Weile hell sein, aber man merkte, dass es schon Abend war.
    Guy zog eine Visitenkarte aus der Hosentasche, warf einen Blick darauf. »Jean-Luc hat mir seine Adresse gegeben. Für alle Fälle, hat er gemeint.«
    »Und was hast du ihm gesagt, wo du wohnst?«, wollte Christopher wissen.
    Guy hob die Schultern. »Ich hab ihm erklärt, dass ich gerade eine neue Wohnung suche. Stimmt ja.« Er steckte die Karte zurück in die Tasche. »Okay. Auf ins Dorf.«
    In Locmézeau verschwand das Gefühl, allein auf Erden übrig geblieben zu sein, im Nu. Überall standen Leute und diskutierten ebenso gestenreich wie aufgeregt: in offenen Türen, an Hausecken, vor Läden, zwischen parkenden Autos. Wer kein Gegenüber hatte, telefonierte. Sorge war in den Gesichtern zu lesen. Unruhe strömte fast greifbar durch die Straßen.
    Das Rathaus lag direkt im Zentrum, ein kleines, eindrucksvolles Gebäude, das auch ein hübsches Schloss abgegeben hätte. Hohe Gitter umgaben einen Vorplatz, auf dem eine Menge Menschen herumstand und ebenfalls debattierte. An vier Masten wehten Fahnen, von denen Serenity die französische und die europäische erkannte. Eine war ziemlich bunt, die vierte sah aus wie eine schwarz-weiße Imitation des amerikanischen Sternenbanners.
    »Die bretonische Fahne«, meinte Guy, der ihren Blick bemerkt hatte.
    Die Leute debattierten nicht nur, erkannte Serenity, als sie einen Parkplatz gefunden hatten, sie bildeten eine Schlange vor dem Eingang des Rathauses.
    »Ich stell mich an«, erklärte Guy. »Und ihr geht solange telefonieren.« Er zog eine Telefonkarte aus der Tasche und reichte sie Christopher. »Hier. Müsste noch fast voll sein. Die hab ich nur gebraucht, um das Fax an euer Hotel in Rennes zu schicken.«
    »Okay«, sagte Christopher. »Danke.«
    Guy nickte ungeduldig. »Bis gleich. Beeilt euch.«
    Serenity hatte keine Ahnung, wo Christopher eine Telefonzelle gesehen haben wollte, also folgte sie ihm einfach. Als sie ankamen, stellte sie fest, dass sie all die Tage auf dem Weg zum Supermarkt an dem Ding vorbeigelaufen war. Sie hatte es nur nicht als Telefonzelle identifiziert. Es war ein sechseckiges Gebilde aus milchig verfärbten Glasplatten, in dem es nach kaltem Rauch stank und dessen Boden mit leeren Bonbontüten übersät war.
    »Hoffentlich funktioniert das Ding noch.« Christopher hob den Hörer ab. Ein hoher Dauerton war zu vernehmen. »Schon mal nicht schlecht«, kommentierte er und beugte sich zu der Anleitung hinab, die in Französisch und Englisch verfasst war.
    Wie üblich genügte ihm ein flüchtiger Blick, um Bescheid zu wissen. Er schob die Karte in den Schlitz und begann, die ewig lange Nummer aus dem Gedächtnis zu wählen.
    »Besetzt«, erklärte er kurz darauf und hängte wieder ein.
    »Haben die denn keine Warteschleife?«
    »Wahrscheinlich schon. Aber solche Warteschleifen können nicht beliebig lang werden.« Er wählte von Neuem.
    Und noch einmal. Und noch einmal. Es war immer das Gleiche: Er kam nicht durch.
    »Was machen wir denn jetzt?«, fragte Serenity mutlos.
    »Ah!« Christopher lauschte. »Endlich. Ich bin in der Schleife. Okay, schon mal etwas.«
    Serenity legte ihr Ohr von außen an den Hörer. Eine billige synthetische Melodie dudelte. Ab und zu erklärte eine genauso mechanisch klingende Frauenstimme, die Metropolitan Police Service freue sich über ihren Anruf, sie würden gleich verbunden, bitte einen Moment Geduld.
    Aber Christopher wurde nicht verbunden und aus dem Moment wurden Minuten. Gemeinsam standen sie da und starrten auf die Anzeige des verbleibenden Guthabens. Es wurde beängstigend schnell

Weitere Kostenlose Bücher