Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
die Hand auf seinem Arm, als wolle sie ihn nicht loslassen. »Dass du nur im Weißen Haus anzurufen brauchst und die stellen dich zum Präsidenten durch?«
    Dad fuhr sich über den kahlen Schädel. »Nein, natürlich nicht. Obwohl es ganz interessant war, wie die in der Telefonzentrale dort mit einem umgehen. Es müssen jeden Tag eine Menge Spinner anrufen und den Präsidenten sprechen wollen.«
    Mom lächelte schmerzlich. »Und zu denen gehörst du jetzt auch.«
    Dad schien sie nicht zu hören. »Ich habe eine Menge Telefonnummern in Washington, ich dachte, irgendwas werde ich schon erreichen. Ich kenne die Schwester des Verteidigungsministers; wir sind uns während einer meiner Vortragsreisen bei einem Empfang des Verlags begegnet. Verdammt, ich hatte vor Jahren eine lange Mail-Diskussion mit dem Bruder des jetzigen Präsidenten! Er hat mir seine Telefonnummer gegeben und geschrieben, ich soll ihn anrufen, wenn ich mal seine Hilfe brauche.« Er seufzte. »Alles vorbei. Bei dem Namen Jeremiah Jones glaubt die eine Hälfte, ich will sie verarschen, und die andere Hälfte legt einfach auf.«
    »Oh, Jerry!« Mom breitete die Arme aus, zaghaft, und Dad ließ sich noch einmal umarmen.
    »Ich dachte, wenigstens einer ...« Er sprach nicht weiter.
    »Du hast alle Nummern durchprobiert, nicht wahr?«
    »Alle.«
    Sie standen einen Moment lang schweigend beisammen, dann durchbrach ein Räuspern die Gemeinsamkeit. Es war Finn, einen Rucksack über der Schulter, abgekämpft. »Ich geh dann mal«, sagte er. »Versammlung in der Küche oder in der Werkstatt?«
    »In der Küche«, erwiderte Dad. »Ist ja schnell erzählt. Ich komm gleich nach.«
    Er löste sich aus Moms Umarmung, sah Serenity an. »Weißt du, wo Christopher ist?«
    Sie fanden ihn in einem der bemalten Seitengänge, in dem mit den Tieren aus aller Welt. Er saß auf dem blanken Boden, unter dem Bild eines über schneebedeckten Berggipfeln schwebenden Seeadlers.
    »Was machst du denn hier?«, wollte Dad wissen.
    »Nachdenken«, erwiderte Christopher.
    Serenity merkte, dass ihr Vater sich einen Ruck geben musste, ehe er sagen konnte: »Ich hab's nicht geschafft, zum Präsidenten durchzudringen. Ich habe eine Menge Kontakte, aber ... nun ja, offenbar nicht mehr den besten Ruf, fürchte ich.«
    Christopher sagte nichts, bewegte sich keinen Millimeter.
    Dad räusperte sich. »Weswegen ich das erzähle ... also, ich hatte die Idee ... genauer gesagt, ich wollte dich bitten, ob du dich nicht vielleicht in das Smartphone des Präsidenten hacken kannst.«
    Christopher atmete scharf ein. »Puh«, sagte er dann.
    »Komm«, meinte Dad. »Du hast das Computersystem der Banken geknackt. Und da warst du erst dreizehn Jahre alt.«
    »Ja. Aber damals hatte ich Unterlagen. Und die Banken haben geglaubt, es kann ihnen eh nichts passieren. Ich hatte es nicht mit Leuten von der NSA zu tun. Nicht mit richtigen Cracks. Nicht mit den besten Computerspezialisten der Welt.«
    Serenity musterte ihren Vater. Obwohl in dem Teil des Stollensystems Dämmerlicht herrschte, weil nur jede dritte Lampe eingeschaltet war, entging ihr der unduldsame Ausdruck nicht, der über sein Gesicht huschte.
    »Christopher«, sagte er aber dann in fast scherzhaftem Ton. »Es ist nur ein Telefon. Es müsste doch reichen, einfach die Nummer herauszufinden, oder?«
    »Glaube ich kaum«, erwiderte Christopher. Er zögerte kurz. »Aber ich kann's ja mal versuchen.«
    Serenity spürte, dass er das nur gesagt hatte, um ihrem Vater nicht noch einmal widersprechen zu müssen.
    Und sie konnte ihn verstehen.

39

    Christopher brach noch am selben Abend auf. Er nutzte die blinde Zeit, die um kurz vor acht begann. Diesmal fuhr Kyle ihn.
    »Ich habe das Gefühl, mein Vater steigert sich in was rein«, erklärte Serenitys Bruder schlecht gelaunt, während sie auf einer leeren, geraden Straße durch die sternklare Nacht bretterten. »Er ist eigentlich ein kluger Mann, aber manchmal, da...« Er ließ den Satz in der Luft hängen.
    Christopher sagte nichts. Erstens hätte er nicht gewusst, was, und zweitens schien ihm, dass Kyle im Grunde mit sich selbst redete.
    »Als Kind hab ich nicht verstanden, wieso meine Mutter ihn verlassen hat. Die beiden lieben sich, das sieht ein Blinder mit Krückstock! Aber inzwischen kann ich's nachvollziehen.«
    Es war eigenartig, wieder mit Kyles altem, klapprigem Geländewagen unterwegs zu sein, mit dem in gewisser Weise alles angefangen hatte. Der ganze Wagen stank nach der uralten, muffelnden

Weitere Kostenlose Bücher