Kohärenz 03 - Time*Out
über das Wochenende, weil ihre Großmutter ihren siebzigsten Geburtstag feierte und die ganze Familie eingeladen hatte. Tiffanys Großmutter lebte in New York, also nicht gerade um die Ecke.
Doch der Lifehook bewährte sich auch in dieser Situation. Sie blieben miteinander in Kontakt, als sei Tiffany gar nicht wirklich fort. Sie weckte ihn am Samstagmorgen mit einem Ruf, der war, als hauche sie ihm zärtlich ins Ohr. Und sie hielten sich den ganzen Tag auf dem Laufenden.
Es ist so langweilig, meldete sie sich einmal. Sie sitzen gerade alle zusammen und schwärmen von Elvis Presley, stell dir vor!
Am Abend der eigentlichen Geburtstagsfeier kontaktete sie ihn aus dem Restaurant. Echt toll hier. Die Vorspeise ist das reinste Kunstwerk. Man traut sich gar nicht, mit Messer und Gabel daraufloszugehen. Schade, dass ich dir kein Bild schicken kann.
Kommt bestimmt noch, gab Brad zurück. Mit dem Lifehook 2.
Sie lachte. Ja, und mit der Version 3 kann ich dich dann auch probieren lassen. Echt lecker!
Ein bisschen hatte Brad trotzdem das Gefühl, auch zu schmecken, was sie schmeckte. Zumindest spürte er ihr Behagen.
Am selben Tag reichte ihm seine Mutter einen Briefumschlag und meinte: »Schau mal. Ist das nicht der Zeichner, der dir so gut gefällt?«
»Was?«, sagte Brad verblüfft. In dem Umschlag war eine Einladung für die Vernissage einer Ausstellung von Werken Antonio Solitars. Und zwar in der berühmten Haines-Galerie in San Francisco, gefördert von der kalifornischen Anwaltsvereinigung.
»Dein Vater geht da bestimmt nicht hin«, meinte Mom. »Kein Problem, wenn du die Karte nutzt.«
Brad drehte die Karte in Händen, studierte die Zeichnung auf dem vorderen Umschlag. Seltsam. Er kannte das Bild; es stammte aus Solitars erstem Toronto-Zyklus. Aber nun betrachtete er es und sah nur noch Striche und graue Flächen, weiter nichts. Er hätte alle Zeit der Welt gehabt, die Ausstellung zu besuchen. Er erinnerte sich, dass er früher ganz andere Strecken als eine Fahrt bis nach San Francisco auf sich genommen hätte für eine solche Gelegenheit. Doch jetzt fragte er sich, was er an Solitars Zeichnungen je gefunden hatte.
Was immer er einst gefühlt hatte, er fühlte es nicht mehr.
45
Die Spannung, die am Samstagabend im Speisesaal von Hide-Out herrschte, war mit Händen zu greifen. Alle waren gekommen, räusperten sich, tuschelten miteinander, scharrten mit den Füßen. Christopher zog die Schultern hoch und warf einen Blick zu Serenitys Vater hinüber. Der ordnete in aller Ruhe seine Unterlagen und schien nicht im Geringsten nervös zu sein.
»Okay«, sagte Jeremiah Jones schließlich und stand auf. Er blickte in die Runde. »Also, es geht um Folgendes: Wir – das heißt Matthew, Rus, Finn, Nick und ich – haben einen Plan entwickelt, wie wir unseren Präsidenten vor einer Übernahme durch die Kohärenz bewahren. Diesen Plan will ich euch heute Abend vorstellen, damit wir ihn diskutieren und am Ende darüber abstimmen, ob wir ihn durchführen. Versteht es als demokratische Legitimierung unseres Vorgehens. Schließlich gehört auch die Demokratie zu den großen amerikanischen Werten, die wir in diesem Kampf verteidigen.«
Christopher sträubten sich die Nackenhaare von dem Pathos in Jones' Ansprache. Doch es schien gut anzukommen; die meisten klatschten begeistert.
Okay. Vielleicht konnte man das als Europäer nicht so einfach nachvollziehen.
»Aber vorher«, fuhr Jeremiah Jones fort, »will uns Christopher von etwas berichten, auf das er bei seinen Recherchen gestoßen ist. Bitte, Christopher.«
Jetzt galt es. Christopher stand auf und holte tief Luft. Er mochte es nicht, vor vielen Menschen zu sprechen. Unwillkürlich musste er an den Abend denken, an dem er zu der Gruppe um Jeremiah Jones gestoßen war. Damals.
»In der Nacht auf den Freitag habe ich versucht, in den Rechnern des Weißen Hauses einen Hinweis darauf zu finden, wie man telefonisch direkt zum Präsidenten vordringen kann«, begann er. »Wie die meisten wissen, ist mir das nicht geglückt. Aber ich hatte bei dieser Gelegenheit einen Austausch mit einem Hacker, den ich nur unter dem Namen PentaByte-Man kenne.«
Er erklärte kurz, was es über den PentaByte-Man zu wissen galt. Wie Christopher es nicht anders erwartet hatte, rief das mit dem Videoprojekt bei denen, die noch nichts davon gehört hatten, totale Verblüffung hervor. Sein gesamtes Leben auf Video aufnehmen? Wozu sollte das gut sein? »Er erklärt es nicht«, konnte Christopher
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