Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
festem Karton aus dem Handschuhfach und reichte ihn Christopher.
    Serenity spähte ihm über die Schulter. Als Adresse war angegeben: Michael Ray, persönlich, Upex Hub USA-W und dann eine Abteilungsbezeichnung und eine Fachnummer. Entlang der Kante klebte ein schwarz-gelb gestreiftes Plastikband mit der Aufschrift Top Priority. Und der Brief war noch verschlossen.
    »Unglaublich.« Christopher klang ehrlich beeindruckt. Er riss den Umschlag auf.
    »Was ist damit?«, wollte Serenity wissen.
    »Das Netzwerk der Hide-Out-Leute ist wirklich beeindruckend«, sagte Christopher, schwer beschäftigt, Klebstreifen und Karton zu entfernen. »Zwei gescannte Fotos, eine E-Mail an jemanden irgendwo im Niemandsland, und keine vierundzwanzig Stunden später – das hier!«
    Damit holte er zwei dunkelrote Pässe heraus, und nach einem kurzen Blick hinein reichte er ihr einen davon. EUROPEAN UNION – UNITED KINGDOM stand darauf.
    »Bitte sehr«, sagte Christopher. »Ab heute heißt du Sarah Miller. Und du bist volljährig.«

51

    Das mit den Pässen hatte Christopher am meisten verblüfft. Erstens, dass Clive überhaupt daran gedacht hatte – aber klar, auch wenn er sie nach Europa schmuggelte, sie würden sich dort ausweisen müssen –, zweitens, dass es geklappt hatte.
    Das musste man sich mal vorstellen: Gestern Morgen war er noch einmal mit Clive rausgefahren. Nicht weit, nur in eine Siedlung in der Nähe, wo Clive an einem ganz normalen Wohnhaus geklingelt hatte. »Unsere Adresse für Notfälle«, hatte er gemeint, dann hatte ihnen eine alte Frau geöffnet, gelächelt und sie auf den Dachboden steigen lassen, wo der Computer stand.
    Während Clive die E-Mails schrieb, hatte sich Christopher gewundert, woher er Passfotos von ihm und Serenity hatte. Dann war ihm eingefallen, dass jemand mit einem Fotoapparat hantiert hatte, als sie in Hide-Out angekommen waren. »Für unser Poesiealbum«, hatte man ihnen damals erklärt und gelacht, so, als sei es ein Spaß. Aber es war kein Spaß gewesen.
    »Stimmt«, bestätigte Clive, während er die Bilder einscannte. »Wir sind jederzeit bereit unterzutauchen. Ist eine unserer Grundregeln.«
    Nathan hieß der Passfälscher. Er sei ein Genie, hatte Clive erzählt, siebzig Jahre alt und einst in der Dokumentendruckerei der Regierung angestellt gewesen. Er wisse alles, was es über Ausweisdokumente zu wissen gab, und sie selber herzustellen, sei Nathans größte Leidenschaft. Reisepässe der wichtigsten Länder habe er immer auf Vorrat im Schrank liegen.
    Christopher steckte seinen Pass ein – es war ein deutscher Pass, ausgestellt auf den Namen Christian Stoll – und versuchte herauszufinden, wohin Mike eigentlich mit ihnen fuhr. Es war ein Zickzackkurs entlang weiterer Gitterzäune und Gebäude, die alle mehr oder weniger gleich aussahen. Aus den Wegweisern, die nur mit Abkürzungen beschriftet waren, wurde man auch nicht schlau.
    Endlich hielten sie vor einem zweistöckigen Bau. »Kommt«, sagte Mike und stieg aus. »Und nehmt eure Sachen mit.«
    Es war gerade niemand in der Nähe, als er sie durch zwei Schwingtüren hinein und sofort eine Treppe hinab in ein Untergeschoss voller kahler, enger Gänge lotste. Es ging um ein paar Ecken, dann öffnete Mike eine Tür, hinter der eine Heizungsanlage auf sie wartete. Hinter einem Kessel war eine Luke in die Mauer eingelassen, die Mike mit einem speziellen Schlüssel aufschloss. Dahinter lag ein schmaler dunkler Tunnel, an dessen Wänden armdicke Kabelbündel verliefen und in dem es stank, als verwesten in den Ecken irgendwelche unaussprechlichen Dinge.
    »Doch nicht etwa da rein?«, fragte Serenity und sah Christopher entsetzt an.
    »Geht nicht anders«, sagte Mike. »Ich muss hinter euch zuschließen, oben durch die Grenzkontrolle gehen und euch auf der anderen Seite wieder rauslassen. Dauert eine Viertelstunde.«
    In Serenitys Gesicht arbeitete es. »Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?«
    Christopher seufzte. Das war eine dumme Angewohnheit von ihm, anderen so spät wie möglich von seinen Plänen zu erzählen. »Hier verkehren nur Frachtmaschinen. Die dürfen keine Passagiere befördern, deshalb muss er uns reinschmuggeln«, erklärte er. »Und die Pässe nützen uns nichts, weil oben nur Upex-Mitarbeiter passieren dürfen. Wir hätten entsprechende Ausweise gebraucht, aber die zu beschaffen, hätte zu lange gedauert.«
    Serenity sah so aus, als ob sie noch etwas sagen – oder vielmehr schreien – wollte, aber dann verkniff sie es

Weitere Kostenlose Bücher