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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Anblick hatte ihr gefallen, stellte sie zu ihrer Verblüffung fest.
    Die Hunde bellten wieder schläfrig. Man hörte, wie die, die noch wach waren, sich unruhig in ihren Käfigen bewegten.
    »Meinst du, wir müssen leise sein?«, fragte sie.
    »Frag ich mich auch«, sagte Christopher. »Aber ich denke, während des Flugs wird es laut sein, da hört man uns außerhalb der Kiste nicht mehr. Und bis dahin kriegen wir ja mit, ob jemand kommt.«
    Seltsam. Erst jetzt kam ihr zu Bewusstsein, dass sie zum ersten Mal, seit sie Hide-Out verlassen hatten, längere Zeit miteinander allein sein würden. Bis jetzt war ständig jemand bei ihnen gewesen, erst Clive, dann Frank, dann dessen Bruder ... Und nun saßen sie gemeinsam in einer stockfinsteren Kiste! Bizarr. Plötzlich schoss ihr die Vorstellung durch den Kopf, alt zu sein, eine Großmutter, und ihren Enkeln von diesem Abenteuer zu erzählen ...
    Dann fiel ihr wieder ein, weswegen sie unterwegs waren und dass nach allem, was sie wussten, die Zukunft nicht so aussehen würde, und sie fand die Dunkelheit ringsum bedrückend. Sie war froh, dass Christopher bei ihr war.
    »Das ist mein erster Transatlantikflug«, gestand sie.
    Sie hörte ihn einatmen. »Ehrlich?«
    »Ja. Ich bin nur ein einziges Mal im Leben geflogen. Von Boston nach San Francisco. Mit meiner Mutter, als sie sich von meinem Dad getrennt hat. Wir mussten irgendwo umsteigen, ich weiß nicht mehr, wo.«
    »Hmm«, machte Christopher. »Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum sich deine Eltern getrennt haben. Wenn man sie sieht, hat man das Gefühl, sie gehören zusammen.«
    Eigenartig, so etwas von Christopher zu hören, der sonst immer in ganz anderen geistigen Sphären zu schweben schien. Es war, als brächte ihn die allumfassende Dunkelheit zum Reden.
    »Es war meine Mom, die Dad verlassen hat«, sagte Serenity. »Sie hat es mir mal erklärt. Sie konnte nicht mit jemandem leben, der die Zukunft verloren gegeben hatte.«
    »Versteh ich nicht. Was meint sie damit?«
    Serenity seufzte. »Du hast ihn ja erlebt, wie er sein kann. Wenn er sich mal in einen Gedanken verbissen hat, dann gibt es kein Zurück mehr. Dann erreicht ihn nichts mehr. So wie jetzt mit dem Anschlag auf den Präsidenten. Ich denke, das wird damals so ähnlich gewesen sein.« Sie merkte, dass sie selber ins Reden kam. Aber warum auch nicht? Es tat gut, all das mal zu erzählen. »Ich war noch zu klein, ich erinnere mich nicht mehr genau. Nur an eine Zeit, in der alles düster war. Das Haus war angefüllt mit einer Atmosphäre, dass ich am liebsten draußen geblieben wäre, im Wald, und dort geschlafen hätte. Ich höre noch, wie Mom in der Küche mit Töpfen schmeißt und herumschreit, während Dad im Sessel sitzt, überhaupt nicht reagiert, nur vor sich hin starrt. Ich erinnere mich, wie er davon spricht, wie aussichtslos das alles sei –«
    »So wie ich«, sagte Christopher tonlos. »Wenn es um die Kohärenz geht.«
    War das vergleichbar? Sie wusste es nicht. Die Erinnerungen überschwemmten sie, schienen das Dunkel ringsum mit Bildern füllen zu wollen. Wie auf einmal keine Zeitungen mehr im Haus waren, wie das Radio eines Morgens nicht mehr auf seinem Platz am Küchenfenster gestanden hatte ... »Bei Dad ging es damals eher um Sachen wie Umweltverschmutzung und Aufrüstung, glaube ich. Und wenn er sich genauso dickköpfig ins Aufgeben gestürzt hat wie jetzt in diesen Rettungsplan für den Präsidenten ... dann versteh ich Mom.«
    Ein knallendes Geräusch ließ sie zusammenzucken. Die Hunde bellten wie verrückt. Ein tiefes, fernes Brummen wurde langsam lauter.
    »Die Triebwerke«, sagte Christopher. »Sie haben sie angelassen.«
    »Dann starten wir jetzt?«
    »Zumindest demnächst.«
    Schritte, weit entfernt. Etwas, das klang wie ein Gitter, das rasselnd geschlossen wurde. Zischende Geräusche. Und immer wieder die Hunde. Aber da schien das Schlafmittel allmählich zu wirken.
    Das Brummen wurde zum Dröhnen, der Boden unter ihnen begann zu vibrieren.
    »Das, was mein Dad vorhat«, fragte sie rasch, ehe es zu laut sein würde, um zu reden, »denkst du wirklich, dass es schiefgehen wird?«
    Christopher gab einen seiner typischen Knurrlaute von sich. »Das ist nicht die Frage. Es wird nicht funktionieren. Die Frage ist nur, ob dein Dad und die anderen festgenommen werden oder nicht.«

53

    Es kam Christopher wie eine Ewigkeit vor, bis sich das Flugzeug endlich in Bewegung setzte. Man konnte spüren, wie es langsam dahinrollte, die Richtung

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