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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sagte er. »Wir müssen weiter in eine Stadt namens Rennes. Wo immer die liegt.«
    »Ich dachte, deine Chips funktionieren nicht mehr?«
    »Doch. Ich bin nur aus dem Feld ausgesperrt. Die Bluetooth-Schnittstelle funktioniert nach wie vor.«
    »Und das kann die Kohärenz nicht mitgekriegt haben? Damals in Santa Cruz hast du gesagt –«
    »Ich weiß. Aber damals hatte ich den zweiten Chip noch nicht. Der mich bekanntlich tarnt.« Er hob die Schultern. »Hoffen wir mal, dass das immer noch so ist.«
    Der Zug wurde immer langsamer und fuhr endlich in den Bahnhof ein, eine riesige Halle aus verspielt wirkenden Stahlrippen, die Serenity an Fotos alter Treibhäuser erinnerte. Der Bahnsteig wimmelte von Menschen in allen Hautfarben. Man sah afrikanische Trachten und wallende arabische Gewänder und hörte alle möglichen Sprachen.
    Als Erstes suchten sie sich ein Wechselbüro. Die Frau hinter der Glasscheibe hob die Augenbrauen, als sie das dicke Bündel Dollarscheine sah, das Christopher aus der Tasche zog. Aber sie zählte ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, Euro-Scheine dafür hin.
    »Lass mal sehen«, bat Serenity im Weitergehen. Die Scheine waren bunt, jede Sorte hatte eine andere Farbe: Rot, Blau, Grün ... Und es waren Gebäude darauf abgebildet; allerdings erkannte sie nicht, welche.
    Vor den Fahrkartenschaltern reihten sich lange Schlangen und es ging nur langsam vorwärts. Serenity betrachtete die hellen Fensterfronten und hatte das irritierende Gefühl, dass Paris eine Stadt war, in der nachts die Sonne schien. Es fühlte sich so nach Abend an! Das musste der Jetlag sein.
    Aber trotzdem war sie im Moment nicht wirklich müde. Die Stunde Schlaf im Zug hatte gutgetan.
    Endlich waren sie an der Reihe. Der Mann am Schalter sprach nur schlecht Englisch und musste alles zweimal sagen, ehe sie es kapierten. Irgendwie schien es nicht einfach zu sein, an diesen Ort namens Rennes zu kommen.
    Christopher begriff zuerst. »Paris hat mehrere Bahnhöfe, genau wie London«, erklärte er. »Und die Züge nach Rennes fahren nicht von hier ab.« Er griff nach seinem prallen Umhängebeutel. »Lass uns erst zum richtigen Bahnhof fahren und die Fahrkarten dort kaufen.«
    »Aber dann müssen wir noch einmal anstehen!«
    »Egal. Die verkaufen hier nur Fahrkarten mit Reservierung, und wir wissen nicht, wie lange wir brauchen.«
    Das leuchtete Serenity ein. Man merkte, dass Christopher der erfahrenere Reisende von ihnen beiden war. Sie folgte ihm, wie er quer durch die Halle marschierte, zu einem Stadtplan mit einer Übersicht der U-Bahn-Linien.
    Natürlich genügte jemandem wie ihm ein Blick, um das System zu kapieren. Noch ehe Serenity herausgefunden hatte, wo sie sich überhaupt befanden, tippte Christopher schon mit dem Zeigefinger auf eine Stelle und sagte: »Hierhin müssen wir. Gare de Montparnasse.« Sein Finger huschte die bunten Linien entlang, ungefähr drei Sekunden lang. »Okay, alles klar. Komm.«
    Und weiter ging es, Treppen hinab, Fahrkarten lösen an einem Automaten und noch mehr Treppen in die Tiefe. Zu Serenitys Enttäuschung bekam sie von Paris so gut wie nichts zu sehen außer der U-Bahn, die streckenweise so alt wirkte, als sei sie schon hundert Jahre in Betrieb. Ein paar Mal fuhren sie ein Stück weit oberirdisch, Serenity erhaschte kurze Blicke auf Straßen voller malerischer alter Häuser, die dicht an dicht standen und halb verstaubt, halb pittoresk wirkten. Gleich darauf rumpelte die Bahn wieder in einen Tunnel. Was für eine Enttäuschung! Serenity schwor sich, eines Tages zurückzukommen und Paris zu erkunden.
    Wenn das alles irgendwie gut enden sollte.
    Wenigstens unternahmen sie etwas, sagte sich Serenity. Es tat so gut, nicht mehr in Hide-Out eingesperrt zu sein, wo sie nichts hatte tun können, als auf den großen Schlag zu warten. Auch wenn die Chance winzig war, der sie folgten, war es doch immerhin eine Chance.
    Sie dachte an den Brief, den sie zurückgelassen hatte. Ob sie das darin so formuliert hatte, dass ihre Eltern sie verstehen würden. Sie würden sich Sorgen machen, bestimmt. Große Sorgen. Verärgert sein. Aber vielleicht würden sie sie auch ein bisschen verstehen. Hoffentlich.
    Der Bahnhof Montparnasse entpuppte sich als großer, hässlicher Klotz aus Beton, bei dem die Gleise unterirdisch zu liegen schienen. Christopher fand sich zurecht, als sei er schon tausendmal hier gewesen. Einen Zug, der nach Rennes gefahren wäre, hatten sie um ein paar Minuten verpasst, aber den nächsten würden

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