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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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überhaupt kein Zeitgefühl mehr.«
    Christopher auch nicht. Wenn man ihm gesagt hätte, es sei später Vormittag, hätte er das genauso geglaubt wie jede andere Angabe. Er wälzte sich herum. Die Uhr auf dem Nachttisch behauptete, es sei 19:12 Uhr.
    »Wie lange haben wir dann geschlafen? Fünf Stunden?«
    »So ungefähr«, sagte Christopher. Etwas weniger, weil sie das Hotel nicht gleich gefunden hatten. »Im Flugzeug zu schlafen, war wohl nicht so entspannend.«
    Serenity setzte sich mühsam auf. »Ich bin völlig fertig«, erklärte sie und fuhr sich mit gespreizten Händen durch die Haare. »Okay. Wie geht es jetzt weiter?«
    »Wir warten, bis der PentaByte-Man Kontakt mit uns aufnimmt«, sagte Christopher.
    »Und wann wird das sein?«
    »Morgen im Verlauf des Tages, nehme ich an. Er hat geschrieben, er will beobachten, ob uns jemand gefolgt ist oder ob wir überwacht werden. Sobald klar ist, dass die Luft rein ist, meldet er sich.«
    Serenity nickte. »Und? Was meinst du? Ist uns jemand gefolgt?«
    »Ich hab niemanden bemerkt«, meinte Christopher. »Aber das heißt nichts. Ich habe das Gefühl, unsere Fahrt durch Frankreich als Schlafwandler zurückgelegt zu haben.«
    »Geht mir genauso«, bekannte sie. Sie sah sich um, musterte das Zimmer. »Heißt das, wir müssen die ganze Zeit im Hotel bleiben?«
    »Nein, im Gegenteil. Er hat gesagt, wir sollen so viel wie möglich rausgehen und herumlaufen, damit er eventuelle Verfolger entdecken kann. Wir sollen so tun, als wären wir im Urlaub.«
    »Gut«, meinte Serenity. »Mir ist nämlich gerade eingefallen, dass ich vorne an dem großen Platz eine Pizzeria gesehen habe.«
    Das bloße Wort ließ Christopher ein Loch im Bauch spüren. »Geniale Idee.«
    »Aber vorher muss ich duschen«, sagte Serenity. »Ich fühl mich so schmutzig, als hätte man den Flugzeugboden mit mir gewischt.«
    Christopher ließ Serenity den Vortritt. Sie nahm ihre Sachen mit ins Bad und verriegelte die Tür hinter sich. Dann rauschte Wasser und wollte gar nicht mehr aufhören.
    Christopher wühlte derweil frische Klamotten aus seinem Reisesack. Als alles griffbereit auf seinem Bett lag, schaute er aus dem Fenster und beobachtete das Treiben auf der Straße unten, die vorbeifahrenden Autos, die Passanten. Wer von diesen Leuten mochte der PentaByte-Man sein? Christopher stellte sich den Hacker dick und langhaarig vor, aber die Menschen, die er sah, waren alle schlank und zielstrebig irgendwohin unterwegs.
    Das Rauschen des Wassers endete, dafür hörte man den Föhn. Endlich kam Serenity wieder zum Vorschein, rosig sauber und in frischen Kleidern, ihre nach wie vor feucht glänzenden Haare mit einem riesigen Kamm bearbeitend. Das Innere des Badezimmers war in dicke Dampfschwaden gehüllt.
    »Sorry, meine schrecklichen Haare ... Die sind echt ein Problem«, meinte sie. »Aber jetzt ist die Dusche frei.«
    Christopher verspürte den Impuls, ihr zu sagen, dass er ihre Haare großartig fand, doch irgendetwas schien ihm regelrecht den Mund zu verschließen. Eine Art Wortfindungsstörung.
    Dann sagte er sich, dass solche Gespräche in ihrer Situation ohnehin Unsinn waren; darum ging es jetzt nicht. Aber irgendwie ... eben doch.
    Er schnappte seine frischen Klamotten, räusperte sich und sagte: »Ich geh dann mal.«
    »Beeil dich. Ich sterbe vor Hunger.«
    Im Bad war alles klatschnass, nur die zwei verbliebenen Handtücher nicht. Christopher zog die Tür hinter sich zu, fasste an den Riegel und hielt inne. Es war unnötig abzuschließen, oder? Serenity würde nicht einfach hereinkommen.
    Er nahm die Hand wieder weg. Irgendwie wäre es auch aufregend gewesen, wenn sie hereingekommen wäre. Er wünschte es sich fast.
    Eine halbe Stunde später saßen sie unter blauen Markisen am Rand des großen Platzes und studierten die in Plastik eingeschweißte Speisekarte. Ein paar Bottiche mit verkümmerten Pflanzen trennten sie vom fließenden Verkehr, ein warmer Wind ließ die Stoffbahnen über ihren Köpfen flattern, und Serenity war begeistert. »Das wirkt alles so ... echt!«, sagte sie.
    Christopher wusste nicht genau, was sie damit meinte. Zumindest war die Kneipe zweifellos alt. Die Tische waren winzig und verschrammt, die Stühle knarzten bei jeder Bewegung, und die mächtige Theke, die man durch die weit geöffneten Fensterflügel sah, hatte locker ein Jahrhundert auf dem Buckel.
    Immerhin war alles echt alt. Nicht wie in den USA, wo Restaurants lediglich auf alt dekoriert wurden.
    Serenity übernahm es,

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