Kohl des Zorns
bevor ich es nicht weiß. Nicht, bevor ich nicht hundertprozentig sicher bin. Aber was auch immer …« Er mühte sich auf die Beine und schüttelte die geballten Fäuste in Richtung des verfluchten Stadions. »Ihr werdet dafür bezahlen. Ihr werdet bezahlen und bezahlen und bezahlen! Wer oder was auch immer ihr seid, ihr werdet teuer dafür bezahlen!« Jim sank wieder in den wackligen Stuhl zurück. »Ich wünschte nur, ich wüßte wie«, murmelte er vor sich hin.
»Sie tun es schon wieder!« informierte Mrs. Butcher ihren unter dem Pantoffel stehenden Gemahl. »Sie vollziehen schon wieder ihre heidnischen Bräuche!« Mister Butcher machte sich in seinem Ohrensessel ganz klein und suchte hinter seiner Angler-Times Deckung. »Geh gefälligst raus und unternimm etwas!«
Mister Butcher brachte ein mühsames: »Sie fügen doch niemandem Schaden zu, Liebling« hervor, doch seine hochgeschätzte Gattin wußte im voraus, was kommen würde, und schlug ihm die Zeitung mit ihrem Geschirrtuch aus der Hand.
»Los, mach, daß du rauskommst!« keifte sie.
»Ein Kollege hat letzte Woche einen siebenundzwanzigpfündigen Hecht mit einem Neunerhaken gefangen, stell dir das nur einmal vor!«
»Ich stelle mir gleich etwas ganz anderes vor«, sagte sein Weib in dem Tonfall, für den einige Weiber ganz berüchtigt sind. »Mach, daß du rauskommst, Reg! Du wirst es ihnen verbieten!«
»Verbieten? Was denn, Liebling? Sie tanzen nur, das fügt niemandem Schaden zu!«
»Niemandem Schaden zu? Das ist gottlos!« Mrs. Butcher bekreuzigte sich vor der Plastikmuttergottes auf dem Kaminsims. »Das sind wahrscheinlich gottlose Wilde und sonst nichts.«
»Das sind keine Wilden, Liebste! Sie gehören zum Stadtrat!«
»Schön, dann besteht der Stadtrat eben aus einer Bande Wilder. Eine Bande Wilder, die ihre heidnischen Bräuche vollzieht!« Sie setzte sich drohend in Richtung ihres von vielen gefürchteten Folterinstruments in Bewegung. »Ich werde anrufen und mich beschweren!«
»Nein, alles, nur das nicht!« Mister Butcher nahm hastig seine Zeitung vom Boden, faltete sie und legte sie in den messingnen Zeitungsständer, bevor er seine in gestopften Weihnachtssocken steckenden Füße in die Hauspantinen schob und aufstand. »Alles, nur kein Anruf, Liebste.« Die Telefonrechnung machte in letzter Zeit der nationalen Verschuldung Konkurrenz. »Ich werde rausgehen und mit ihnen reden.«
»Sag ihnen einfach, daß sie damit aufhören sollen! Es ist unschicklich, und wir leben in einer anständigen Wohngegend. Wenigstens war sie das, bis …«
Mister Butcher hastete aus der Küchentür nach draußen und in den Garten hinter dem Haus, während sein Weib weiter zeterte.
»Jungs!« rief er über den Zaun hinweg. »Hallo, Jungs, sage ich!«
Paul und Barry Geronimo ignorierten sein Geschrei. Sie waren in die volle Stammestracht des Sioux-Medizinmannes gekleidet: Büffelhörner, perlenbesetzte Armreifen, Lendenschurz aus Ziegenhaut, das ganze Programm. Und sie tanzten weiter, als hätten sie nichts gehört.
Sie tanzten den Tanz der Beschwörung des großen Geistes. Er würde sechsunddreißig Stunden andauern, und während dieser Zeit würden sie nur gelegentlich innehalten, um weiteres Peyote zu sich zu nehmen oder auf die Toilette zu gehen. Im späteren Stadium des Tanzes würde schließlich Mrs. Butcher mit Schaum vor dem Mund auf einer Bahre nach draußen und in einen Ambulanzwagen getragen werden, der sie zu einem ganz besonderen Hospital in Hanwell bringen sollte, wo sie für einen längeren Zeitraum einer intensiven medizinischen Pflegemaßnahme unterzogen werden würde. Mister Butcher für seinen Teil würde mit einem sehnsüchtigen Winken im Regen stehen und selbst so etwas wie einen kleinen Tanz vollführen. Schließlich würde er sich mit seiner gefalteten Angler-Times in den Fliegenden Schwan begeben, um alsdann mit kühnem Gleichmut (etwas, das ihm in den letzten zwanzig Ehejahren ganz und gar unbekannt gewesen war) einen vollen Monatslohn auf den Kopf zu hauen.
Doch diese Dinge lagen noch in der Zukunft. Für den Augenblick begnügte sich Butcher damit, über den Zaun zu spähen und, unaufhörlich laute Verwünschungen ausstoßend, weiter nach seinen tanzenden Nachbarn zu rufen. Er täte es nicht für sich selbst, vertraute er ihnen an, er selbst habe keinerlei Einwände. Das Geräusch hämmernder Trommeln klänge wie Musik in seinen Ohren. Es läge alles nur an seiner Frau, die Gemahlin stecke dahinter, und ob sie das
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