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Kohlenstaub (German Edition)

Kohlenstaub (German Edition)

Titel: Kohlenstaub (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Kathrin Koppetsch
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weiter. Ich stolperte hinter ihm her, zwischen Büschen und
Bäumen hindurch, blieb mit meinen halbhohen Absätzen im Gras hängen, zerkratzte
mir das Schuhleder. Ein dorniger Zweig riss einen Winkelhaken in meinen Rock.
Ich hatte Mühe, Giovanni zu folgen.
    Als wir stehen
blieben, merkte ich, dass wir nur wenige Meter entfernt von einem dunklen
fensterlosen Gebäude standen.
    »Der Bunker«,
flüsterte ich. Diese trutzige Festung musste Trinkhallen-Trudi gemeint haben.
War das erst einen Tag her?
    »Jajajaja!«,
stotterte Giovanni, und seine Stimme verdrängte das Gefühl von Unwirklichkeit,
das sich wie ein Gespinst in meinem Bewusstsein festgehakt hatte.
    Mein Begleiter
umrundete den Bau. Jetzt sah ich, dass auf der anderen Seite eine Straße
vorbeiführte. Alte Häuser in schlechtem Zustand säumten sie. Auch dort war
niemand zu sehen. Giovanni blieb an einem Vorbau des Bunkers stehen. Hier musste
sich einst ein Eingang befunden haben. Er war nun zugewuchert mit Unkraut und
Gestrüpp.
    »Autsch!«, entfuhr
es mir, als kniehohe Brennnesseln meine Beine streiften. Es juckte durch die
Nylons hindurch.
    Behutsam bog
Giovanni die Pflanzen zur Seite. Einige waren geknickt, ein Hinweis darauf,
dass hier vor Kurzem jemand gewesen sein musste.
    Ich erblickte einen
Bretterverschlag.
    »Alles zu!«, rief
ich. »Wir können nicht hinein!«
    Meine Stimme
durchschnitt die Stille. Ich redete weiter gegen meine Beklommenheit an.
»Meinst du, er könnte da drin sein?«
    Giovanni rüttelte
leicht an ein paar Brettern. Eines saß locker und ließ sich entfernen. Durch
den Spalt fasste der junge Mann nach innen, sein Arm verschwand in der Öffnung.
Dann verschob er ein weiteres Brett. Das Loch, etwa einen halben Meter über dem
Boden, war nun so groß, dass ein Bernhardiner oder ein Grundschulkind hätte
hindurchkriechen können.
    Ungeduldig trat
ich von einem Fuß auf den anderen.
    »Manni!«, rief ich
in den Bunker hinein. »Manni! Bist du da drin?«
    Die Stimme hallte
von den Steinwänden wider.
    Mein Begleiter
ließ sich nicht beirren. Er vergrößerte das Loch, indem er ein weiteres Brett
herauszog. Dann stupste er mich am Arm und zeigte auf die Öffnung.
    »Da soll ich jetzt
rein?« Mein Herz schlug bis zum Hals.
    Er nickte.
    »Manni! Manni!«,
rief ich erneut. Wieder nur das Echo.
    »Ich glaube nicht,
dass er da drinnen ist«, versuchte ich, das Unvermeidliche abzuwenden, doch
mein stummer Geselle wies beharrlich auf das Loch.
    Wenn Manni sich
nun tatsächlich in dem Bunker befand, vielleicht sogar verletzt oder in
Lebensgefahr?
    »Oh Gott! Steh mir
bei!«, schickte ich ein Stoßgebet zum Himmel und sagte dann zu Giovanni:
»Sollen wir zusammen hineingehen?«
    Mit hängenden
Armen stand mein stummer Begleiter seitlich von der Bretterkonstruktion an der
Mauer. Er rührte sich nicht.
    »Gut. Ich versuche
es dann mal.«
    Ich ließ meinen
rechten Fuß in die Öffnung gleiten und stieß mir prompt einen Splitter in die
Wade. Eine Laufmasche zog sich von unten nach oben durch meine Strumpfhose.
Doch das war mir egal. Vorsichtig spähte ich in das Halbdunkel und erkannte die
Umrisse einer Steintreppe.
    Ich bemühte mich,
meine Angst zu bezwingen, zog den zweiten Fuß nach und stand nun mit beiden
Beinen auf dem harten Steinboden im Bunker.
    »Giovanni?« Ich
drehte den Kopf zur Bretterwand. Der junge Mann war verschwunden. Verbarg er
sich im toten Winkel an der Seite, oder war er weggegangen? Das Licht malte
einen hellen Fleck auf den Boden, doch mir schien, als wäre das Loch kleiner
geworden. Hatte Giovanni einige der Bretter wieder vorgeschoben?
    Ich lauschte in
die Stille hinein. Keine Antwort, kein Atemgeräusch. Stattdessen stieg mir der
Geruch eines verwesenden Körpers in die Nase.
    »Manni? Manni?«,
rief ich voller Angst.
    Ich stieß an etwas
Weiches, Glitschiges. Mit dem Fuß zeichnete ich die Umrisse nach. Kein Mensch,
Gott sei Dank, dafür war der Körper zu klein. Ein weiterer Kaninchenkadaver.
    Plötzlich war ich
mir sicher, dass sich Manni in dem Bunker befand. Ohne nachzudenken, begab ich
mich tiefer in das Gebäude hinein. Wieder und wieder rief ich nach Manni.

EINUNDZWANZIG
    Er würde sterben. Angespannt
lauschte ich auf die flache Atmung. Seine Hand war heiß. Manchmal zuckte sie im
Delirium.
    Er würde sterben,
sobald ich seine Hand losließ.
    »Manni?«,
flüsterte ich. »Halt durch. Bleib bei mir. Bestimmt kommen sie gleich.«
    Ich war mir dessen
nicht sicher. Hatte Giovanni mich in eine Falle gelockt? Wollte

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