Kokoschanskys Freitag
auf der Welt, begann er zu spielen.“
„Ist der Franz denn auch hier aus der Gegend?“, lässt Lena nicht locker.
„Ja, klar. Der hat nur zwei Straßen weiter gewohnt“, ergänzt die Ehefrau. „Eines muss ich allerdings sagen, der Franz hatte auch eine schwere Kindheit ...“
„Nur, weil jemand nicht auf die Butterseite gefallen ist“, unterbricht sie ihr Mann, „muss er nicht auf die schiefe Bahn geraten. Das ist keine Ent schuldigung!“
Verärgert über die abrupte Unterbrechung ihres Redeflusses fährt seine Frau fort: „Ja, schon gut. Sicherlich ist hier keiner von uns mit dem golden en Löffel im Mund geboren worden, aber der Franz hatte von Beginn an schlechte Karten. Angeblich ist die Mutter in Wien auf den Strich gegangen. Bitte, so erzählen es die Leute. Seine jüngere Schwester, an der Franz sehr gehangen hat, kam bei einem Autounfall ums Leben. Da war sie im Volksschulalter . Ein besoffener Raser mähte sie auf einem Feldweg nieder. Sicherlich hat ihr sinnloser Tod dazu beigetragen, dass Franz aus der Bahn geworfen wurde. Dann verschwindet auch die Mutter, lässt ihre Familie im Stich und sich nie mehr blicken. Der Vater war schon immer ein Taugenichts, schwerer Alkoholiker, hielt seine Familie mit Gelegenheitsjobs mehr schlecht als recht halbwegs über Wasser. Vor zwei Jahren hat er sich aufgehängt.“
„Und der Franz ...“, der alte Mann senkt seine Stimme und blickt sich kurz um, „... der war ein Nazi. Wir haben den Krieg mitgemacht und wir wissen, was die verdammten Nazis angerichtet haben. Der Franz war ein richtiger Fanatiker, hat alles gelesen, was er über das Dritte Reich und Hitler in die Finger kriegen konnte. Und noch etwas ...“, er zögert „... nein, da will ich mir nicht den Mund verbrennen ...“
Lena kickt Kokoschansky unter dem Tisch ans Schienbein. Der alte Fuchs versteht sofort.
„Entschuldigung, aber warum sprechen Sie jetzt nicht weiter?“, fragt er.
Abwehrend hebt der alte Mann die Hände. „Seien Sie uns nicht böse, Herr ...“
„Kokoschansky, Heinz Kokoschansky und das ist meine Kollegin Lena Fautner.“
„Frau Fautner und Herr Kokoschansky, meine Frau und ich haben wirklich schon zu viel gesagt. Wir wollen nur unsere Ruhe haben, verstehen Sie uns?“
„Natürlich“, pflichtet ihm Lena bei, „aber Sie haben da etwas angeschn itten, was uns verständlicherweise sehr interessiert.“
„Erscheinen wir jetzt in einem Akt oder so auf?“ Die alte Frau wirkt äußerst besorgt.
„Keineswegs!“, beruhigt Kokoschansky sie. „Das sind vertrauliche Informationen und wir werden auch dementsprechend verfahren. Von uns erfährt niemand, dass und was Sie mit uns gesprochen haben.“
Das beruhigt sie und ihre Miene erhellt sich wieder.
„Wissen Sie“, Kokoschansky beugt sich vor, „um einen Gefallen möchte ich Sie noch bitten. Wir würden gerne mit dieser Irmi sprechen. Sie ken nen nicht zufällig ihre Adresse oder die Telefonnummer?“
Erst als seine Frau zustimmend nickt, zieht ihr Mann sein Handy aus der Weste.
„Ich kann ja unsere Nachbarn anrufen.“
***
Ausgelassen tollt der junge Golden-Retriever-Rüde durch das Unterholz, wirbelt um die eigene Achse, stöbert mit seiner Schnauze durch das Geäst, wälzt sich anschließend ausgiebig auf dem Rücken, springt wieder hoch, jagt dazwischen seinem eigenen Schwanz nach und setzt sein Spiel in immer neuen Variationen fort. Sein blondes Fell glänzt golden in der Oktobersonne. Die Blätter an den Bäumen und Sträuchern schillern in allen nur denkbaren Braun- und Gelbtönen.
Die Prater Hauptallee ist eine der grünen Lungen Wiens, ein ausgedehn tes Wald- und Augebiet, das einmal zum kaiserlichen Jagdrevier gehörte und unter Joseph II., dem Sohn Maria Theresias, für das Volk zugänglich gemacht wurde.
Heute ist dieses Areal, in unmittelbarer Nähe zum Prater, dem weltbekannten, alten Vergnügungspark mit dem Riesenrad, eine Ruheoase für Spaziergänger, romantische Idylle für Verliebte und ideal geeignet für sportliche Aktivitäten.
Pure Lebensfreude, unbändige Neugierde in seinem jungen Leben und unstillbarer Bewegungsdrang treiben den Hund immer wieder zu neuen Höchstleistungen.
„Komm, Platon! Bring das Stöckchen!“
Nun, vielleicht ein zu ausgefallener Name für einen Hund. Wahr scheinlich ist sein Frauchen besonders stolz auf die Klugheit und Intelligen z ihres Schützlings, dass bei der Namensgebung unbedingt der alte Griechenp hilosoph herhalten musste.
Brav
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