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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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sich Kubela wenig überrascht, „dann wird man Ihnen dort nicht unbedingt das beste Zeugnis über ihn ausgestellt haben. Dort funk tionieren die Buschtrommeln klaglos. Hier hat es noch niemand mitbekomm en, aber ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit.“
    „Bestimmt“, bestätigt Kokoschansky. „An Ihrem Ex-Mann wurde kaum ein gutes Haar gelassen.“
    „Mit Recht!“ Die Stimme der geschiedenen Frau klingt verbittert. „Ich wusste, eines Tages wird es tragisch mit ihm enden. Bestimmt wundern Sie sich, dass ich ihm keine Träne nachweine. Er hat es nicht verdient. Selbst wenn es hart klingt, aber ich bin froh, endlich mit diesem dunklen Kapitel in meinem Leben abschließen zu können. Jetzt kann ich meine ganze Kraft für Franziska aufwenden. Daher bin ich auch dem Polizisten, der ihn erschossen hat, weder böse noch hege ich Hassgefühle gegen diesen Mann. Ich hoffe für ihn, dass er deshalb nicht in Schwierigkeiten geraten ist. Meine Tochter wird es verkraften. Sie ist noch so klein und Kinder vergessen schnell. Wollen Sie tatsächlich nichts trinken?“
    „Danke, sehr nett.“ Lena blickt Kubela tief in die Augen. „Was uns interes­ siert, war Ihr Mann immer so gewaltbereit? Ich nehme an, die Vorgänge in der Bank sind Ihnen bekannt.“
    Plötzlich bricht es aus Kubela heraus. Geistesabwesend knüllt sie rasch ein Taschentuch zwischen ihren Fingern. „Wir waren sieben Jahre verheiratet. Davon waren sechs die Hölle. Als ich ihn kennenlernte, wusste ich, dass er gerne, über den Durst getrunken hat. Aber Liebe macht bekanntlich blind . Ich war lange Zeit gegen die Realität resistent. Eine Zeit lang versuchte er s einen übermäßigen Alkoholkonsum zu überspielen. Kurz vor unserer Hochzeit war es auch zunehmend besser geworden und ich hegte neue Hoffnung . Leider war es eine Täuschung. Bis ich ihn vor die Alternative stellte: Die Flasche oder ich. Tatsächlich schaffte er das Unmögliche und kam los. Heute sage ich, er war auf dem besten Weg zum Alkoholiker und im letzten Moment gelang es ihm abzuspringen. Natürlich hatten wir gestritten, aber i ch finde, das ist nichts Unnormales. Manchmal rutschte ihm dabei auch die Hand aus. Ich habe es hingenommen, weil ich bereits mit Franziska schwan ger war. Es wurde immer schlimmer mit ihm. Den Suff bekam er in den Griff, die Gewaltausbrüche nicht. Der geringste Anlass, der nichtigste Grund reichten und er schlug zu. Selbst als ich Franziska im Bauch trug, nahm er keine Rücksicht darauf. Das wusste jeder in diesem Drecksnest.“
    „Und zur Polizei sind Sie nie gegangen?“, fragt Lena.
    „Damit ich noch mehr ins Gerede komme?“ Irmgard Kubela sieht Lena ungläubig an. „Seien Sie mir nicht böse, aber was hättet ihr wirklich ausrich ten können? Eingegriffen wird bei uns doch erst, wenn man bereits am Boden liegt oder es zu spät ist. Ein paar Ohrfeigen, Faustschläge und Fuß­tritte interessieren doch im Grunde niemanden.“
    Kokoschansky verzieht das Gesicht und widerspricht. „Es gibt Frauen­häuser, Frauennotruf, Therapieangebote und das behördliche Wegweise­recht.“
    „Und?“ Mit zittrigen Fingern greift Kubela nach einer Zigarette und Koko­schansky gibt ihr Feuer. „Danke! Und was ist danach? Wenn er sich nicht therapieren lassen will? Ewig kann man so einen Typ doch nicht weg­s perren. Irgendwann steht er wieder vor der Tür und der Zirkus beginnt erneut. In so einem Ort wie Hollabrunn spricht sich alles rasch herum. Wegen der Nachbarn hält man still und erduldet vieles, obwohl man genau weiß, wie hinter seinem Rücken getuschelt wird, sobald man nur die Nase aus der Tür hält. Ich hatte gehofft, er würde zur Vernunft kommen, sobald unsere Tochter auf der Welt ist. Leider war es nicht so. In ruhigen Momenten konnte er der zärtlichste und liebevollste Mann und Vater sein. Kaum passierte etwas, was ihm gegen den Strich ging, rastete er völlig aus und war nicht wiederzuerkennen. Ich bin der festen Überzeugung, dass er geisteskrank war. Doktor Jekyll und Mister Hyde eben. Wenn ich mit ihm darüber sprechen wollte, brach er nicht nur einmal in Tränen aus und schwor tausend Eide sich zu bessern. Zum Glück hatte er gegenüber Franziska anscheinend eine innere Barriere. Gegen sie hat er nie die Hand erhoben. Wahrscheinlich kassierte ich die für sie gedachten Schläge gleich mit. Es ist gut, dass er verreckt ist.“ Mit einer heftigen Bewegung und zusammengekniffenen Lippen drückt Irmgard Kubela ihre Kippe im Aschen­becher aus.

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