Kokoschanskys Freitag
Einer Metapher gleich als wolle sie ihrem Ex noch nachträglich das Lebenslicht auslöschen.
„Es ist wirklich paradox“, sie stößt ein kehliges Lachen aus. „Die Flasche konnte er loslassen, dafür klammerte er sich nahtlos an diese verfluchten Spielautomaten. Von einer Sucht in die nächste. Plötzlich nahm er hinter meinem Rücken heimlich Kredite auf, um die gefräßigen Automaten zu füttern. Dann machte die Bank nicht mehr mit und die unbezahlten Rechungen stapelten sich. Es folgte Lohnpfändung, der Gerichtsvollzieher gehörte praktisch zur Familie. Glauben Sie mir, es gab Zeiten, da wusste ich nicht, wie ich etwas zum Essen kaufen sollte. Wäre meine Mutter nicht gewesen und hätte mir unter die Arme gegriffen ... Heute sitze ich auf einem Berg Schulden, die er mir eingebrockt hat und weiß nicht, ob ich die jema ls zurückzahlen kann. Ich arbeite als kleine Kassiererin in einem Drogeriemarkt.“
„Was war letztlich der entscheidende Grund sich von ihm endgültig zu trennen?“, erkundigt sich Kokoschansky, obwohl es eigentlich bereits mehr als genug Gründe gab, diesen Schweinehund vor die Tür zu setzen. Ein Stück von Erdenbergers Lebensweg kann er sehr gut nachvollziehen, näm lich den Absturz in den Alkohol und Drogen. Mit dem Unterschied, er be gann erst nach seiner zweiten Scheidung zu saufen, zu kiffen und zu ko ksen. Und vernachlässigte seinen kleinen Sohn, was er sich nie verzeihen wird. Erst Lena schaffte es, ihm endgültig die Augen zu öffnen, ließ sich von seiner anfänglichen Verweigerung gegenüber ihrer Hilfe nicht abschrecken und zeigte ihm wieder, was im Leben wichtig und von Bestand ist.
„Wenn ich heute noch daran denke, schmerzt es mich“, erzählt Irmgard Kubela weiter, „und ich koche noch immer innerlich vor Wut. Wie kann ein Ehemann und Vater dazu imstande sein und das übers Herz bringen? Bald wird es ein Jahr. Knapp vor Weihnachten war es. Franziska wünschte sich so sehr ein Kinderfahrrad und es musste unbedingt pink sein. Eine Freundin borgte mir ein bisschen, meine Mutter legte etwas drauf und den Rest kratzte ich irgendwie zusammen. Mein Gott, war ich naiv! Ich hatte das Geld in einer Keksdose in der Küche versteckt, im Glauben, da würde er niemals stöbern. Mitte Dezember wollte ich das Rad kaufen und anschließend bei meiner Mutter verstecken. Das Weitere können Sie sich denken. Erst am Morgen kam er nach Hause und ich stellte ihn zur Rede. Es ent brannte ein fürchterlicher Streit und ich hatte wieder einmal ein blaues Auge. Damit war der Ofen endgültig aus. Noch am gleichen Tag reichte ich die Scheidung ein. Rückblickend gesehen, war ich ein Trottel, dass ich es nicht früher getan und so lange gewartet habe. Erklären Sie einem Kind, weshalb das Christkind seinen einzigen Wunsch nicht erfüllt?“
Lena steht auf, geht zum Fenster, blickt hinaus und wischt sich heimlich über die Augen. Auch Kokoschansky blickt betreten zu Boden und würgt an dem Kloß im Hals. Diese Frau heischt nicht nach Mitleid. Sie schildert nur, was Sache war. Das Traurige daran ist, sie ist kein Einzelfall. Täglich müssen Millionen Frauen gleiche oder ähnliche Schicksale ertragen.
„Tut mir leid, dass ich Sie mit meinen Problemen belästige“, entschul digt sich Irmgard Kubela. „Sie wollen sicherlich anderes von mir erfahren.“
„Schon okay!“ Lena hat sich wieder gefasst und kehrt zu ihrem Platz zurück. „Die Scheidung ging wohl sehr schnell über die Bühne.“
„Er hat alles auf sich genommen“, nickt Kubela. „Natürlich aufgrund seiner finanziellen Schieflage in der Gewissheit, dass Alimenteforderungen auf längere Sicht ein sinnloses Unterfangen waren.“
„Gab es noch Kontakt zu Ihrem Ex-Mann?“, klinkt sich nun auch Kokoschansky wieder ins Gespräch ein.
„Klar, schließlich hatte er das Besuchsrecht für Franziska. Wieder so eine völlig andere Seite an ihm. Kaum sind wir geschieden, war er auf seine Art richtig nett. Und ich bin weggezogen aus Hollabrunn. Dort hätte ich es keine Stunde länger ausgehalten. Jetzt leben wir hier. Meine Mutter hilft mir über die Runden. Mit meinem mickrigen Gehalt könnte ich es nicht schaffen.“
„Wo hat Erdenberger so ausgezeichnet schießen gelernt?“ Kokoschansky reicht diese Familientragödie und will endlich diesen Wirrwarr versuchen zu verstehen.
„Ich habe mich auch schon gewundert, warum mich das Ihre Kollegen nicht gefragt haben, aber ich habe mich gehütet, dieses Thema anzuschneiden. Mir reichen
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