Kokoschanskys Freitag
auf, dass der Fahrer in dem unauffälligen, grauen Auto reichlich Fotos von ihnen knipst und sie filmt.
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Im Büro des Wiener Polizeipräsidenten in der Bundespolizeidirektion am Schottenring herrscht an diesem Sonntag geschäftiges Treiben und die Räumlichkeiten drohen, beinahe aus ihren Nähten zu platzen. Pausenlos wird herumtelefoniert, ununterbrochen schlagen die unterschiedlichsten Klingeltöne an, Anweisungen werden erteilt, Papiere und Akten gesichtet, Laptops und PCs laufen auf Hochtouren. Die geheime Krisensitzung ist voll im Gange. Zwischen dem Büro des Präsidenten und seinem eigenen pen delt der Landespolizeikommandant ständig hin und her.
Die Führungsspitzen des Landesamts für Verfassungsschutz und Terroris musbekämpfung und des Bundeskriminalamts sind ebenso vertreten wie die Leitung des Bundesamtes für Korruptionsprävention und -bekä mpfung, des Büros für Besondere Ermittlungen, außerdem Staatsanwälte und hochrangige Vertreter aus dem Kabinett der Innenministerin. Auch Chef inspektor Thomas Petranko wurde zu diesem Treffen beordert und fühlt sich sichtlich unwohl in seiner Haut.
Auf dem Präsidentenschreibtisch liegt Erkan Kaytans Personalakte, daneben ein Stapel aktueller Tageszeitungen. Auf einem Plasmabilds chirm ist der Teletext zu sehen. Das Medienecho ist gewaltig. Sehr zum Missfallen der anwesenden Spitzenkräfte ist inzwischen durchgesickert, dass es sich bei der Leiche um einen Polizisten handelt, der ermordet wurde. Ein zu fällig dienstfreier, vorbeiradelnder Polizeireporter des Boulevardblattes Österreich hatte den Trubel mitbekommen, schnappte sich die Spaziergängerin, deren Hund den Toten aufgestöbert hatte, quetschte sie ordentlich aus un d mit ein bisschen Fantasie schrieb er seine Exklusivstory, von der wieder die anderen Medien abkupferten.
„Seit der Polizeiaffäre scheint ein Fluch über uns zu liegen“, bemerkt Polizeipräsident Dieter Jobst gegenüber Alfred Greter, dem Chef des Bundes amtes für Korruptionsprävention und -bekämpfung, bitter. „Es will und will einfach nicht abreißen. Kaum ist ein Schlamassel halbwegs bereinigt, schlittern wir bereits in die nächste Misere. Polizist erschießt Bankräuber . Gut. Ordnungsgemäßer Waffengebrauch ist Bestandteil unseres Jobs. Ebenso ist in Ordnung, wenn sich ein dienstfreier Beamter bei Gefahr in Verzug selbst in den Dienst stellt. Ebenfalls nichts Ungewöhnliches, dass ein Polizist auch privat bewaffnet ist. Doch nach genauer Durchsicht der aktuel len Aktenlage war das eine bewaffnete Auseinandersetzung, ein richtiger Showdown, wie in einem Wildwestfilm. Oder liege ich damit falsch?“ Jobst lehnt sich in seinem Stuhl zurück, verschränkt die Arme im Nacken und blickt in die Runde.
„Stimmt!“, bestätigt Greter. „Es gibt zu viele Ungereimtheiten.“
„Beide Protagonisten sind tot“, ergänzt Jobst lakonisch. „Draußen lauert das Journalistengesindel und wartet nur darauf, uns einmal mehr in der Luft zu zerfetzen.“ Er wendet sich Petranko zu. „Wie schätzen Sie nach einigen Stunden Abstand zu den Ereignissen, insbesondere dem Banküberfall, die Lage ein?“
Chefinspektor Thomas Petranko, der sich gerade mit einigen Leuten aus dem Innenministerium unterhalten hat, ist davon überhaupt nicht erbaut, vor diesen Leuten, von denen er den Großteil nicht leiden kann, zu referieren. Besonders Greters Mannen und die Leute vom BBE, dem Büro für Beson dere Ermittlungen, sind ihm ein Dorn im Auge. Mit dieser Einstellung ist Petranko nicht allein. Kaum einer der Kollegen will mit diesen Leuten zu tun haben. Vor einigen Jahren kam Greter, ein ehemaliger Bundesheeroffizier, im Zuge einer groß angelegten und in weiten Teilen missglückten Polizeireform, unter einem wenig erfolgreichen Innenminister an die Spit ze. Die „BIAtlethen“ – dieser polizeiinterne Spitzname stammt noch immer von der alten Bezeichnung BIA für Büro für Interne Angelegenheiten – genießen innerhalb des Polizeikorps wenig Ansehen. Wer ständig gegen die eigenen Kollegen zu ermitteln versucht, schafft sich keine Freunde. Nich t anders ergeht es den BBE-Beamten. Abgesehen davon, waren sich Bundes heer und Polizei nie sonderlich grün.
„Derzeit tappen wir noch immer im Dunkeln“, gesteht Petranko ein. „Deshalb kann ich auch nicht mit neuen Ermittlungsergebnissen dienen.“
Wasser auf die Mühlen von Alfred Greter. Die Antipathie zwischen ihm und Petranko ist unübersehbar, und wie nicht anders zu
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