Kokoschanskys Freitag
Er ist auch wirklich ein zauberhafter Bub. Und ganz der Vater. Ausgerechnet ein Krokodil will er, obwohl alles mögliche andere Viehzeug hier hängt. Mit anderen Worten, er wird ebenso bissig werden wie sein Vater.“
„Bissig bin ich also“, zeigt sich Kokoschansky gespielt gekränkt.
„Blödsinn! Ich habe das auf deinen Beruf bezogen.“
„Ja, ja ...!“, haucht ihr Koko ins Ohr und fasst Lena um die Taille, während sein Sohn fasziniert sein Plüschtier in Augenschein nimmt. „Und was hältst du davon? Sollten wir uns nicht doch überlegen, uns noch so einen Zwerg anzuschaffen?“
„Sooo, ich werde wohl nicht gefragt.“
„Habe ich doch gerade getan!“
„Und ein Mädchen willst du also nicht.“
„Wieso?“
„Du hast Zwerg gesagt.“
„Mein Gott, mir ist alles recht! Hauptsache, gesund.“
„Ist aber jetzt nicht der richtige Ort sich darüber zu unterhalten.“
„Okay, da stimme ich dir zu. Das wird Thema unserer Abendgestaltung.“ Dabei streift sein Blick unverhohlen lüstern über ihren wohlgeformten Körper und Lena knufft ihm in die Seite.
Es ist ein richtig schöner sonniger Herbstsonntag. Dementsprechend sind Menschenmassen unterwegs. Fast alle haben Fotoapparate oder Filmkameras dabei. Ein wunderbares Terrain jemanden unauffällig zu beschatten. Weder Lena noch Kokoschansky fällt der Mann auf, der sich, seit sie hier sind, ständig in ihrer Umgebung aufhält, sie dabei fleißig fotografiert und filmt, um anschließend in der Menge unterzutauchen und wenige Minuten später seine Observierung wieder fortzusetzen. Er macht das äußerst gesc hickt und ist sicherlich ein Profi.
„Ich bin so ein Trottel!“, schlägt sich Kokoschansky plötzlich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Das hätte mir schon längst einfallen sollen!“
„Was ist los?“, erkundigt sich Lena irritiert, und weiß beim besten Willen nicht, was er meint.
„Siehst du den Typ da vorne in dem grauen Sweater mit der Kapuze?“
„Ja. Und?“
„Was liest du auf seiner Brust?“
„Lonsdale ... Na und?“
„Das sagt dir nichts?“
„Nein. Sollte es das?“
„Macht nichts, dafür mir umso mehr. Pass auf, Lena. Dieses englische Label ist bei Neonazis äußerst beliebt. Keine Ahnung warum, interessiert mich auch im Moment nicht.“
„Der Junge sieht alles andere wie ein Neonazi aus.“
„Der ist mir auch egal. Sein Sweater hat mich auf einen Gedanken gebracht. Ich bin so was von blöd! Komm setzen wir uns.“ Zielstrebig steuert Kokoschansky auf eine Bank zu und lässt sich fallen. „Klar, das ist es!“
Lena hat Günther hochgehoben, setzt ihn sich auf den Schoß, während das Kind unbeeindruckt mit seinem neuen Gefährten, dem Krokodil, spielt.
„So viel zur eventuellen Familienplanung ...“, murmelt Lena.
„Was ist?“
„Nichts, nichts ...“
Kokoschansky kramt in seinen Taschen.
„Hast du einen Stift dabei? Ich habe meinen zu Hause vergessen.“
„Dann musst du mir den Kleinen mal abnehmen.“
„Schau, Papa“, strahlt ihn sein Sohn an und zeigt auf die Zähne seines Krokodils.
„Uuiii, die sind aber spitz“, reagiert Kokoschansky geistesabwesend, während Lena in ihrer Handtasche kramt.
„Hör zu, Lena. Neonazis verwenden Zahlencodes wegen des Wiederbetätigungsparagraphen in Österreich.“
„Ich weiß. Worauf willst du hinaus?“
„Papa, was ist Nezonaschti?“
„Nicht wichtig, Günther, vergiss es. Dein Krokodil ist schon ganz traurig, weil du es nicht beachtest.“ Er dreht sich wieder zu Lena. „Nimmst du ihn wieder?“
Ihr Schatten hat inzwischen das Objektiv gewechselt und schießt nun seine Fotos mit einem Tele. Kokoschansky zieht sein Notizbuch heraus, schlägt eine leere Seite auf, kritzelt schnell das Alphabet und dann unter jeden Buchstaben eine Zahl, von eins bis sechsundzwanzig, während ihm Lena interessiert zuguckt. Dann ordnet er dem Code eins, acht, neunzehn, acht den passenden Buchstaben zu. Eins und A, acht und H, neunzehn und S, acht wiederum H. Danach schreibt er AHSH.
„Na, dämmert’s jetzt?“, fragt Kokoschansky.
„Wahnsinn!“, schluckt Lena erregt. „Wenn du damit richtig liegst, bedeutet das nichts anderes als ‘Adolf Hitler, Sieg Heil’.“
„Tja, wenn ...“, nachdenklich blickt er auf seine Notiz. „Aber ich finde keine andere Erklärung. Wenn ich recht habe, dann ist diese Gruppe bei ihrer Namensfindung nicht sehr einfallsreich gewesen.“
„Doch nicht ohne Wirkung. Immer unter der Voraussetzung, dass du mitten ins
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