Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
Vom Netzwerk:
geholfen. Machen Sie’s gut und passen Sie auf meinen Kumpel auf.“
    Kaum im Auto zurück, nimmt Kokoschansky Irmgard Kubelas Handy näher unter die Lupe. Es ist noch eingeschaltet. Sofort notiert er fein säuber­lich sämtliche Nummern aus der Anrufliste und dem Adressbuch in sein Notizbuch. Bei manchen stehen Vornamen oder Abkürzungen. Dann gibt es nur noch eine Sache zu erledigen. Ab nach Hause und Kubela beibringe n, dass es vorübergehend einen sicheren Ort gibt, wo sie mit ihrem Kind untertauchen kann. Wenn er die beiden dort abgesetzt hat, reicht es für heute. Dann will er nur noch seine Ruhe und warten bis Lena nach Hause kommt. Heute braucht er ein Übermaß an gewissen Streicheleinheiten und Lena wird sie ihm bestimmt nicht verweigern.
    Vielleicht meldet sich Freitag heute noch? Natürlich ist ihm der Name Erkan Kaytan ein Begriff. Schließlich sind der Todesschuss des Polizisten und seine kurz darauf erfolgte Ermordung noch immer Tagesthema in den Medien, die sich in den wildesten Spekulationen versteigen und die dann sofort sowohl von der Bundespolizeidirektion als auch vom Innenministerium entschieden zurückgewiesen und dementiert werden. Doch weder die eine noch die andere Institution lässt sich in die Karten blicken, mit der logischen Folge, dass wieder neue Gerüchte in Umlauf gesetzt werden. Kokoschansky hat Freitag seine Bedenken zu der Person dieses Polizisten mitgeteilt, worauf Freitag ihm sofort angeboten hat, Informationen über Kaytan vielleicht über türkische Taxikollegen herauszubekommen. Genau das war Kokoschanskys Absicht. Auch die Türken bleiben gerne unter sich, ob sie in ihrer Heimat oder bereits hier geboren wurden. Der Journalist verspricht sich zwar nicht viel davon, aber einen Versuch ist es wert.
    Kokoschansky stellt sein Auto am gewohnten Platz ab. In seinem Viertel gibt es zum Glück noch nicht den täglichen Kampf um den Parkplatz, obwohl sich die Situation im Laufe der vergangenen Jahre zusehends ver­ schlimmert. Es folgt ein Routineblick in die Runde, ob etwas Verdächtiges oder Ungewöhnliches in der näheren Umgebung zu bemerken ist. Eine Angewohnheit, die er eigentlich seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn praktiziert und ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen ist. Gesundes Misstrauen ist immer noch die beste Lebensversicherung. Darum kann er sich nur über sich selbst wundern, so leichtfertig gewesen zu sein, ohne langes Nachdenken Irmgard Kubela und ihrer Tochter Unterschlupf zu gewähren. Das Gleiche gilt auch für Lena. Gerade sie als Polizistin sollte eigent ­l ich noch argwöhnischer sein. Immerhin gehört es zu ihrem Beruf, täglich mit den Niederungen der menschlichen Seele, aber auch mit Leid, Elend und Verzweiflung konfrontiert zu werden. Für Kokoschansky gibt es nur eine Erklärung: Lena und ihm tut das kleine Mädchen leid. Sicherlich trug auch Kubelas berührende Lebensgeschichte, insbesondere ihre missratene Ehe mit Erdenberger entscheidend dazu bei, dass sie bereitwillig eine wild­fremde Frau mit ihrem Kind in ihr gemeinsames kleines, aber feines Reich gelassen haben.
    Unabhängig davon bewegt sich Koko wieder einmal mehr in der Illega ­ lität, als ihm lieb ist. Immerhin hält er Informationen zurück, lässt im Grunde die Polizei dumm sterben und versucht fast alles im Alleingang, denn Len a zieht mit ihm mit. Wenn das rauskommt, hat sie auf jeden Fall mit erheb­lichen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihr letztendlich Kopf und Kragen bei ihrem Arbeitgeber kosten können. Jetzt lässt sich nichts mehr rückgängig machen. Das Ding muss durchgezogen werden. So oder so. Fragt si ch nur welches? Kokoschansky hält zwar einen Haufen Puzzleteile in der Hand, doch sie wollen nicht recht zusammenpassen.
    Er blickt zu den Fenstern der Wohnung hoch. Es brennt Licht. Jetzt muss er den Kubelas ihr neues Quartier offerieren und schmackhaft machen, helfen ihr Zeug zusammenzupacken und dann nichts wie weg. Damit wieder Ruhe in die vier eigenen Wände einkehrt. So schnell wird hier niemandem mehr Asyl gewährt.
    Beim Betreten des Hauses leert er wie üblich den Briefkasten und besteigt dann den Lift. Oben angekommen, überfällt ihn dieses eigenartige, komische Gefühl, das von ihm jedes Mal dann Besitz ergreift, wenn etwas nicht stimmt. Schwer zu charakterisieren, eine Mischung aus Angst, Bedr o hung, Beklemmung und der Gewissheit diesem Etwas nicht entkommen zu können. Es beginnt im Bauch, klettert hoch, schnürt den Hals zu. Trotzdem schwindet

Weitere Kostenlose Bücher