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Kokoschanskys Freitag

Kokoschanskys Freitag

Titel: Kokoschanskys Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Zäuner
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Sohn bekommt von alledem nichts mit, er schläft selig und nuckelt an seinem Daumen. Kokoschansky legt sich zu Lena, nimmt sie sanft in den Arm. Mehrmals in der Nacht schreckt sie hoch, er beruhigt sie, bis sie wieder in einen unruhigen Schlaf fällt.
    ***
    Benommen und mit schwerem Kopf schlägt Sonja die Augen auf, versucht sich zu orientieren, doch die Decke über ihr rotiert, eigentlich der gesamt e Raum und es dauert eine Zeit bis Stillstand eintritt. Sie will sich aufrichten, aber bleierne Gewichte scheinen ihren Körper auf die Pritsche, auf der sie l iegt, niederzupressen. Nur unter größter Willensanstrengung gelingt es der Krankenschwester nach und nach ihre Gliedmaßen zu bewegen, sich vors ichtig umzusehen und herauszufinden, wo sie sich befindet. Ihre Erinne rung endet, als sie sich über den Kofferraum gebeugt hatte, weil sie noch nach etwas in ihren Tasche suchte.
    In dem Halbdunkel lässt sich nicht viel erkennen. Außer, dass es ein sehr kleiner Raum sein muss, ähnlich einer Zelle. Endlich lässt dieses Gefühl de r erdrückenden Schwere nach und sie richtet sich auf, stößt mit einem Fuß gegen einen Schemel, auf dem tatsächlich eine Packung Zigaretten und Streich­hölzer liegen. Gierig greift sie danach, doch noch viel mehr quält sie unbändiger Durst. Sie nimmt mit zitternden Händen eine Zigarette aus der angebrochenen Packung, reißt ein Streichholz an und erschrickt zu Tode als sie im schwachen Schein des brennenden Hölzchens eine Gestalt, ebenso auf einer Pritsche sitzend, erkennt.
    „Pssst“, flüstert die fremde Frau, „erschrecken Sie nicht.“
    „Wer sind Sie?“ Vor lauter Schreck vergisst Sonja ihre Zigarette anzu­zünden, verbrennt sich die Finger an dem Streichholz und lässt es fallen. „Wo bin ich?“
    „Ich weiß es auch nicht genau.“
    „Sind Sie ebenfalls entführt worden?“
    „Ja, noch nicht sehr lange her, als ich gekidnappt wurde. Zusammen mit meiner kleinen Tochter. Mir kommt es bereits wie eine Ewigkeit vor, da ich nicht weiß, was sie mit meinem kleinen Mädchen angestellt haben. Ich heiße Irmgard ...“
    ***
    Donnerstag, 29. Oktober
    „Ich steige aus“, angewidert schiebt Lena ihre angebissene Buttersem mel von sich. „Ich kriege nichts runter.“
    „Wie? Du steigst aus?“
    „Ich schmeiße alles hin, Koko. Ich will keine Polizistin mehr sein. Was kann ich bewirken? Nichts, absolut nichts. Was ich gestern gesehen habe, will ich nie wieder sehen und schon gar nicht dabei sein.“
    Kokoschansky dreht das Radio ab. Aufgrund der Staatstrauer wird nur klassische, schwermütige Musik gespielt. Nicht ungedingt passend für Lenas momentanen Gemütszustand.
    „Papa, wann kommt denn Mama wieder?“
    „Bald, Günther, bald. Magst du nicht ein bisschen mit deinem Krokodil spielen? Sieh mal, das ist schon ganz traurig, weil du es nicht beachtest. Papa hat etwas mit Lena zu besprechen.“
    Er nimmt den Kleinen von seinem Schoß, der sich das Plüschtier schnappt und damit auf dem Boden herumkrabbelt.
    „Hast du dir das auch gründlich überlegt, Lena?“
    „Ja. Für heute habe ich mich bereits krank gemeldet. Es ist nicht der gestrige Tag allein ausschlaggebend, der war nur noch die negative Krönung. Immer wieder diese versteckten Anspielungen der Kollegen, weil ich mit einem Journalisten zusammen bin. Auf Dauer bekomme ich das nicht mehr auf die Reihe. Bevor die Bomben explodiert sind, hat mir mein Che f diesen Artikel des Schmetterlings unter die Nase gerieben. Er meinte es zwar gut, aber eigentlich passt es ihm auch nicht in den Kram, dass wir ein Paar sind.“
    „Scheiß auf den Artikel“, knurrt Kokoschansky. „Der ist doch aufgr und der grauenhaften Ereignisse jämmerlich untergegangen. Willst du nicht alles noch mal in Ruhe überdenken?“
    Lena schiebt auch ihre Kaffeetasse beiseite und schüttelt den Kopf. „We der du noch ich können diese Welt verbessern. Es ist so, wie es ist. Hauen wir einfach ab. Packen wir unsere Siebensachen und suchen uns ein Fleck­c hen, wo es noch halbwegs friedlich zugeht.“
    „Und was ist mit ihm?“ Kokoschansky deutet auf seinen Sohn.
    Schulterzucken von Lena. „Machst du denn weiter?“
    „Ich muss wohl, ich stecke doch inzwischen schon viel zu tief drinnen.“
    „Weil du es willst!“ Die Bitterkeit in Lenas Worten ist nicht zu überhören.
    „Schatz, lass uns jetzt nicht streiten. Schon gar vor dem Kleinen. Wenn du willst, machen wir uns hier im Haus mit ihm einen schönen Tag. Oder ich bringe ihn in den

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