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Koks und Karneval

Koks und Karneval

Titel: Koks und Karneval Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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auch sein Gedächtnis in einem ziemlich desolaten Zustand. Sicher war nur, daß er mindestens zwanzig scharfen Weibern Erste Hilfe geleistet und sich dadurch jede Menge Ärger mit ihren Freunden, Verlobten und Ehemännern eingehandelt hatte.
    Er sehnte sich nach einem heißen Bad, einem warmen Bett und einem kühlen Kopf, doch in sein Hinterhofapartment konnte er keinesfalls zurück – wie er Killer kannte, ließ der seine Kamikazes im Minutentakt um den Chlodwigplatz patrouillieren. Gott allein wußte, was sie mit Bernie Barnovic angestellt hatten.
    Trunken blickte er auf.
    In der U-Bahn-Unterführung war die Hölle los. Die meisten Jecken und Wiever hatten außer Schnaps und Kölsch auch Trommeln und Trompeten mitgebracht und veranstalteten einen infernalischen Lärm, während vom Neumarkt aus zwanzigtausend Kehlen Dat Leed vum lecker Kölsch herunterdröhnte. Von den Bahnsteigen strömten weitere jecke Scharen in die überfüllte Unterführung. Es waren hauptsächlich Mäuse und Clowns, durchsetzt von Pappnasen in allen Größen, Formen und Farben. Nur ein bierbäuchiger Graukopf, der mit einem 20-Liter-Faß Kölsch unter dem Arm durch das Gewühl schwankte, bewies Mut zur Originalität – er war als Zombie unterwegs.
    Tommy schauderte. Dieser leichig-fahle Teint, die fischigen Glubschaugen, die knollige Monsternase, der schiefe Mund, die hauerähnlich hervorstehenden, gelbverfärbten Zähne …
    Der Zombie kam zähnefletschend auf ihn zu, stellte das Bierfaß ab und ließ sich mit einem scheußlichen Gurgeln darauf nieder.
    »Tolle Maske«, sagte Tommy bewundernd. »Kommt bei den Weibern mächtig an, was?«
    »Maske?« röchelte der Zombie. »Was denn für ’ne Maske? Ich trage keine Maske. Ich trage nie ’ne Maske. Aber sonst hast du recht. Normalerweise macht es nicht gerade Spaß, mit so ’nem Gesicht rumzulaufen, doch Karneval sind die Weiber ganz jeck nach mir.«
    Er zog zwei Plastikbecher aus der Jackentasche, bückte sich, zapfte Bier und drückte Tommy einen Becher in die Hand.
    »Gestatten, Egon Matschke, der Totengräber vom Südfriedhof. Vielleicht hast du schon von mir gehört. Seit zwei Jahren steh’ ich im Guinness-Buch der Rekorde – ich halt’ den Weltrekord im Grabschaufeln. Zehn Minuten und dreiundzwanzig Sekunden. So schnell wie ich bringt keiner die Leute unter die Erde.«
    »Tolle Sache. Ich bin Tommy Zet. Rettungshubschrauber.«
    »Ah!« Matschke nickte weise. »Deshalb auch der Hut.«
    »Hat mich zwei Jahre Planung, eine Stunde harte Arbeit und einen halben Nervenzusammenbruch gekostet, aber die Mühe hat sich gelohnt. In dieser Stadt wimmelt es von scharfen Weibern, die jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können.«
    »Wem sagst du das, Jungchen. Seit Weiberfastnacht hab’ ich schon sieben Stück vernascht. Hinterher wollen sie immer, daß ich die Maske abnehme. Wenn ich ihnen dann die Wahrheit sage, haut der Schock sie regelmäßig um.« Matschke leerte gurgelnd den Becher und zapfte neues Bier. »Vielleicht sollten wir uns zusammentun. So, wie ich das sehe, wären wir ein phantastisches Team. Ich mach’ die scharfen Weiber fertig, und du möbelst sie anschließend wieder auf.«
    »Klingt nach einem großartigen Vorschlag«, sagte Tommy Zet ohne rechten Schwung. Die Folgen seines exzessiven Kokainkonsums machten ihm immer mehr zu schaffen. Das wilde Getrommel und Getöse erschien ihm drohend und brutal, und die geschminkten Gesichter der johlenden Jecken wirkten so fratzenhaft und feindselig, daß Matschke dagegen fast normal aussah.
    »Noch’n Bier, Rettungshubschrauber?« fragte der Zombie. »Oder soll ich dir lieber gleich ein Grab schaufeln?«
    Er lachte röchelnd. Tommy sah an ihm vorbei zum Treppenaufgang Schildergasse und fiel vor Schreck fast vom Kokskoffer.
    Die Kamikazes!
    Killer und vier andere Schlagetots kamen die gegenüberliegende Treppe heruntergepoltert. Sie waren mit eingedellten Wehrmachtshelmen und angeklebten Adolf-Hitler-Bärtchen vage auf karnevalistischen Frohsinn getrimmt, aber nicht in der allerbesten Fastnachtsstimmung – wer ihnen den Weg versperrte, wurde umgerannt, wer zur Seite wich, mit einem Fußtritt verabschiedet, und wer Widerstand leistete, per Totschläger zur Räson gebracht.
    »Oh, Scheiße!« sagte Tommy.
    »Probleme?« fragte Egon Matschke. »Vielleicht welche, die ich lösen könnte?«
    »Öh, ich muß mal kurz für kleine Jungs«, sagte er hastig. »Könntest du dich vielleicht für ein paar Minuten auf meinen Erste-Hilfe-Koffer

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