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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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dich auch so mies wie für mich?“, und er hatte genickt und dann hatten sie beide gelacht und ein bisschen herumgealbert und dann, als sie schließlich ein weiteres Mal losgelegt hatten, war von Lustlosigkeit keine Rede mehr gewesen.
    Karl spürte ein Brennen im Hals, er stand auf, massierte sich den Hintern, rollte mit den Schultern und räusperte sich. Das Brennen wurde langsam schwächer und nachdem er ein halbes Glas Wein, das auf dem Schreibtisch stand, runtergekippt hatte, war es schließlich verschwunden.
    â€žHeute spielen sie das einzige Konzert in Wien“, sagte Maria leise und blickte sehnsüchtig zur halboffenen Terrassentür.
    â€žWer?“, fragte Karl mit rauer Stimme. Vorsichtig betastete er seinen Hals und schluckte ein paar Mal. Alles in Ordnung? Scheinbar schon.
    â€ž
Svelte Mincer
.“
    Karl setzte sich auf den Behälter und betrachtete Maria, und jetzt erst fiel ihm der verwaschene, kaum mehr sichtbare Aufdruck auf ihrem T-Shirt auf. Ein Strauß roter Rosen, der durch einen Fleischwolf gedreht wurde. „Trägst du deshalb das T-Shirt?“
    â€žKlar“, sagte Maria. „Ich hab’s damals gekauft, an unserem Abend.“
    â€žIch weiß.“
    Maria seufzte. „Jetzt hab ich extra zwei Pressekarten zurücklegen lassen und kann nicht hingehen.“ Sie wandte sich ihm zu. „Wegen dir.“
    â€žTut mir leid.“
    â€žMuss dir nicht leid tun. Ich bin froh, dass ich diese Story habe, ich wär nur gern aufs Konzert gegangen.“
    Karl betrachtete seine zerschnittenen Fußsohlen, als ihm etwas einfiel. „Du hast gesagt Karten, Plural.“
    â€žStimmt.“
    Er hob den Kopf. „Mit wem wärst du denn gegangen?“
    Maria grinste. „Rate.“
    â€žMit Herr-Zehn-Kondome?“
    Das Leuchten in Marias Augen sagte ihm, dass er richtig geraten hatte. Und während sie ihn angrinste und er in ihr grinsendes Gesicht schaute und sich überlegte, wie er es anstellen sollte, sie über diesen Fritz Drechsler auszufragen, ohne allzu neugierig oder aufdringlich zu wirken, fiel ihm plötzlich auf, was an Marias Gesicht anders war.
    Patrick Berger stand draußen am Gang vor dem Gemeinderatssitzungssaal, an die Wand gelehnt, blickte durch ein makellos sauberes Fenster hinunter in den Arkadenhof und verfluchte seine Nervosität. Der Bürgermeister hatte es ihm vor wenigen Minuten gesagt. Dolores Hightower kommt hierher, hatte er mit strahlendem Lächeln verkündet und der Umweltstadtrat hatte ein Gesicht gemacht wie ein Junkie, der einen Koffer voll Heroin findet. Selbst Qualtinger hatte erleichtert gewirkt angesichts der Tatsache, dass diese blöde Amitussi, die sich hier in Angelegenheiten einmischte, die sie Bergers Meinung nach nichts angingen, auftauchte und die Dinge in die Hand nahm. Und genau deshalb war Patrick Berger nervös. Hightower, das war so sicher wie das Amen im Gebet, würde eine Möglichkeit finden, zwei Millionen Fünfzigcentstücke sammeln zu lassen, und zwar innerhalb von wenigen Stunden. Er, Berger, hatte zwar keine Ahnung, wie sie das anzustellen gedachte, aber dem Bürgermeister gegenüber hatte sie offenbar eine Andeutung fallen gelassen, denn dieser ließ seither ab und zu die Worte „Stephansplatz“ und „Bankdirektor“ in die Unterhaltung einfließen und brachte ein überlegenes Grinsen zum Einsatz, das Berger am liebsten mit einem Faustschlag ausgelöscht hätte. Irgendetwas ging hier vor sich und was es auch war, es würde Patrick Berger ganz gewaltig schaden. Sollte die Geldsammlung erfolgreich verlaufen, würde die WEGA ganz sicher nicht noch einmal stürmen und der Behälter würde gefunden, geöffnet und dessen Inhalt analysiert werden. Und dann adieu Moskau, hallo Gerichtsverhandlung.
    Während er zurück in den Saal ging, überlegte Berger, ob er die Sammelaktion irgendwie verzögern könnte, ob es möglich wäre, die ganze Sache so langwierig und kompliziert zu gestalten, dass entweder die WEGA die Geduld verlieren oder Baumgartner irgendeinen Unsinn anstellen würde, aber ihm fiel nichts ein. Da er nicht wusste, was Hightower vorhatte, konnte er es schlecht sabotieren, so einfach war das. Er seufzte und fuhr sich mit der Hand über sein schweißnasses Gesicht. Seine Haut fühlte sich schwammig und alt an und er war sicher, dass er ganz furchtbar aussah. Mit einem Ruck raffte er sich

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