Kolibri
Zeit lang herum. Sie machten am Polizeistand Halt und Drechsler nahm das Angebot in Augenschein, das ihm nicht sonderlich verlockend erschien. Fetttriefende Würstchen und altbackene Semmeln um eins in der Nacht? Nein, danke. Weiter gingâs. Beim Stand der Feuerwehr sahen die Würstchen schon ein wenig besser aus, zumindest schien sich das Fett dort zu befinden, wo es hingehörte, im Wurstinneren, aber nachdem er sich vorgestellt hatte, wie sich ein Brocken dieses stark gewürzten Fleisches in seinem Magen wohl anfühlen würde, wies Drechsler die angebotene Käsekrainer zurück. Widmaier fragte, ob sie hier was zu essen suchten oder joggen gingen, und Drechsler klopfte ihm auf die Schulter und sagte, einen Versuch würden sie noch wagen. SchlieÃlich langten sie beim Stand der Wiener Rettung an, dessen Angebot hauptsächlich aus fleischlosen Gerichten bestand, für diese Uhrzeit genau die richtige Wahl, wie Drechsler fand.
âHier sollen wir was essen?â, fragte Widmaier und beäugte mit kritischem Blick die in Folie eingewickelten Mozzarella-und-Tomaten Sandwiches, die Ciabattas mit Thunfischfüllung und die Becher mit Fruchtsalat und Joghurtdressing.
âSieht doch gut aus, findest du nicht?â, sagte Drechsler und deutete auf einen Becher Fruchtsalat, den ihm ein mürrischer junger Mann, der offensichtlich vor kurzem aus dem Bett geholt worden war, mit trägen Bewegungen reichte. Drechsler bezahlte, gab ein bescheidenes Trinkgeld und rührte die Früchte und das Joghurt zusammen.
âHör aufâ, sagte Widmaier, âmir wird gleich schlecht.â
âIch weià gar nicht, was du hastâ, sagte Drechsler, schob sich einen Löffel Fruchtjoghurt in den Mund und kaute genüsslich.
âHunger hab ichâ, sagte Widmaier und klopfte auf seinen imposanten Bauch. Drechsler hielt ihm den Becher hin, den Widmaier mit einer unwirschen Geste zurückwies. âIch will was Richtiges essen, was mit Fleisch.â
Drechsler seufzte. Er hatte keine Lust, sich erneut durch die inzwischen ein wenig dünner gewordene Menge zu bahnen, um zu einem der beiden anderen Stände zu gelangen. Er wollte einfach ein bisschen hier stehen bleiben, dieses gesunde, verjüngende und vitalisierende Essen genieÃen und an Maria denken.
âHaben Sie auch was mit Fleisch?â, fragte er den mürrischen jungen Mann hinter dem Stand. Der zog ein Gesicht, als hätte Drechsler ihm einen unsittlichen Antrag gemacht, und machte sich auf die Suche nach etwas Fleischähnlichem. SchlieÃlich tauchte er aus den Tiefen der Einbaukühlschränke mit zwei labbrigen, in Folie eingewickelten Klumpen auf, die Drechsler bei näherer Betrachtung als Wurstsemmeln identifizierte.
âMehr gibtâs nicht!â, sagte der Mann und schaute demonstrativ zur Seite.
Drechsler nahm die beiden Semmeln und drückte dem Mann einen Euro in die Hand.
âDas ist zu wenigâ, sagte der Mann.
âMehr gibtâs nichtâ, sagte Drechsler und reichte dem grinsenden Widmaier die Wurstsemmeln, der eine davon auswickelte und gierig von ihr abbiss.
âEntschuldigungâ, sagte Kollaritz, der die ganze Zeit über neben ihnen gestanden war und den Hund gestreichelt hatte.
âWas?â, sagte Widmaier mit vollem Mund.
âKönnte ich auch so eine Semmel haben?â
Widmaier musterte ihn misstrauisch. âIch denke, Sie sind Arzt.â
âStimmt.â
âSollten Sie da nicht so was Gesundes essen wie mein Kollegeda?â Er deutete auf Drechsler, der eben dabei war, mit dem Löffel die letzten Fruchtstückchen aus dem Becher zu kratzen.
âSollen täte ich schon, aber ...â
âAber was?â
Kollaritz wies mit dem Kinn auf die zweite Wurstsemmel, die noch unausgepackt in Widmaiers Hand ruhte. âIch glaube, das schmeckt besser.â
âIhnen oder dem Hund?â
Kollaritz grinste. âBeiden.â
Mit einem theatralischen Seufzen händigte Widmaier Kollaritz die Semmel aus, der sie aus der Folie wickelte, die er fein säuberlich in den Mistkübel neben dem Stand warf. Dann riss er die Semmel in zwei Hälften, gab die eine davon Nubia, die sie in einer halben Sekunde verschlungen hatte, und nagte an seiner ein paar Minuten lang herum, ehe er das, was davon übrig war, ziemlich viel, ebenfalls dem Hund zukommen lieÃ.
âEine ziemlich durchsichtige Taktikâ, sagte Drechsler und
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