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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Zeit lang herum. Sie machten am Polizeistand Halt und Drechsler nahm das Angebot in Augenschein, das ihm nicht sonderlich verlockend erschien. Fetttriefende Würstchen und altbackene Semmeln um eins in der Nacht? Nein, danke. Weiter ging’s. Beim Stand der Feuerwehr sahen die Würstchen schon ein wenig besser aus, zumindest schien sich das Fett dort zu befinden, wo es hingehörte, im Wurstinneren, aber nachdem er sich vorgestellt hatte, wie sich ein Brocken dieses stark gewürzten Fleisches in seinem Magen wohl anfühlen würde, wies Drechsler die angebotene Käsekrainer zurück. Widmaier fragte, ob sie hier was zu essen suchten oder joggen gingen, und Drechsler klopfte ihm auf die Schulter und sagte, einen Versuch würden sie noch wagen. Schließlich langten sie beim Stand der Wiener Rettung an, dessen Angebot hauptsächlich aus fleischlosen Gerichten bestand, für diese Uhrzeit genau die richtige Wahl, wie Drechsler fand.
    â€žHier sollen wir was essen?“, fragte Widmaier und beäugte mit kritischem Blick die in Folie eingewickelten Mozzarella-und-Tomaten Sandwiches, die Ciabattas mit Thunfischfüllung und die Becher mit Fruchtsalat und Joghurtdressing.
    â€žSieht doch gut aus, findest du nicht?“, sagte Drechsler und deutete auf einen Becher Fruchtsalat, den ihm ein mürrischer junger Mann, der offensichtlich vor kurzem aus dem Bett geholt worden war, mit trägen Bewegungen reichte. Drechsler bezahlte, gab ein bescheidenes Trinkgeld und rührte die Früchte und das Joghurt zusammen.
    â€žHör auf“, sagte Widmaier, „mir wird gleich schlecht.“
    â€žIch weiß gar nicht, was du hast“, sagte Drechsler, schob sich einen Löffel Fruchtjoghurt in den Mund und kaute genüsslich.
    â€žHunger hab ich“, sagte Widmaier und klopfte auf seinen imposanten Bauch. Drechsler hielt ihm den Becher hin, den Widmaier mit einer unwirschen Geste zurückwies. „Ich will was Richtiges essen, was mit Fleisch.“
    Drechsler seufzte. Er hatte keine Lust, sich erneut durch die inzwischen ein wenig dünner gewordene Menge zu bahnen, um zu einem der beiden anderen Stände zu gelangen. Er wollte einfach ein bisschen hier stehen bleiben, dieses gesunde, verjüngende und vitalisierende Essen genießen und an Maria denken.
    â€žHaben Sie auch was mit Fleisch?“, fragte er den mürrischen jungen Mann hinter dem Stand. Der zog ein Gesicht, als hätte Drechsler ihm einen unsittlichen Antrag gemacht, und machte sich auf die Suche nach etwas Fleischähnlichem. Schließlich tauchte er aus den Tiefen der Einbaukühlschränke mit zwei labbrigen, in Folie eingewickelten Klumpen auf, die Drechsler bei näherer Betrachtung als Wurstsemmeln identifizierte.
    â€žMehr gibt’s nicht!“, sagte der Mann und schaute demonstrativ zur Seite.
    Drechsler nahm die beiden Semmeln und drückte dem Mann einen Euro in die Hand.
    â€žDas ist zu wenig“, sagte der Mann.
    â€žMehr gibt’s nicht“, sagte Drechsler und reichte dem grinsenden Widmaier die Wurstsemmeln, der eine davon auswickelte und gierig von ihr abbiss.
    â€žEntschuldigung“, sagte Kollaritz, der die ganze Zeit über neben ihnen gestanden war und den Hund gestreichelt hatte.
    â€žWas?“, sagte Widmaier mit vollem Mund.
    â€žKönnte ich auch so eine Semmel haben?“
    Widmaier musterte ihn misstrauisch. „Ich denke, Sie sind Arzt.“
    â€žStimmt.“
    â€žSollten Sie da nicht so was Gesundes essen wie mein Kollegeda?“ Er deutete auf Drechsler, der eben dabei war, mit dem Löffel die letzten Fruchtstückchen aus dem Becher zu kratzen.
    â€žSollen täte ich schon, aber ...“
    â€žAber was?“
    Kollaritz wies mit dem Kinn auf die zweite Wurstsemmel, die noch unausgepackt in Widmaiers Hand ruhte. „Ich glaube, das schmeckt besser.“
    â€žIhnen oder dem Hund?“
    Kollaritz grinste. „Beiden.“
    Mit einem theatralischen Seufzen händigte Widmaier Kollaritz die Semmel aus, der sie aus der Folie wickelte, die er fein säuberlich in den Mistkübel neben dem Stand warf. Dann riss er die Semmel in zwei Hälften, gab die eine davon Nubia, die sie in einer halben Sekunde verschlungen hatte, und nagte an seiner ein paar Minuten lang herum, ehe er das, was davon übrig war, ziemlich viel, ebenfalls dem Hund zukommen ließ.
    â€žEine ziemlich durchsichtige Taktik“, sagte Drechsler und

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