Kolibri
dem Mund wegmachen lassen, stimmtâs?â, sagte Karl mit triumphierender Miene. Er stand von dem auf die Dauer doch sehr unbequemen Behälter auf und massierte sich den Hintern, ehe er zur nach wie vor auf dem Sofa sitzenden Maria hinüberging, sich neben ihr niederlieà und ihr hübsches Gesicht eingehend in Augenschein nahm. âDaâ, sein rechter Zeigefinger verharrte zitternd wenige Millimeter vor ihrem Mund, âgenau da war es, das Muttermal.â
Maria rückte ein paar Zentimeter zur Seite, setzte ein trotziges Gesicht auf und schwieg.
âWo ist dein süÃes Muttermal?â, jammerte Karl.
âDas ist weg.â
âIch sehe, dass es weg ist.â
âWarum fragst du dann?â
âIch meine, was ist passiert?â
âWas soll passiert sein? Ich habâs entfernen lassen.â
Karl seufzte. âWarum?â
âEs hat mich gestört.â
âEs hat dich gestört? Ich habe dieses Muttermal geliebt. Jeden Morgen, wenn ich neben dir aufwachte und mich im Bett umdrehte und dieses Muttermal sah, war ich glücklich.â
Maria kaute an ihrer Unterlippe herum, betastete vorsichtig ihre Schulterwunde und sagte schlieÃlich: âDer Arzt hat gemeint, es könnte vielleicht bösartig werden.â
âKrebs?â, flüsterte Karl.
âVielleichtâ, sagte Maria.
âVersteheâ, sagte Karl. âEine VorsichtsmaÃnahme.â
âGenau.â
Karl überlegte ein paar Sekunden, dann sagte er mit argwöhnischer Stimme: âHast du nicht gerade gesagt, es hat dich gestört?â
âWürde dich ein potentielles Krebsgeschwür in deinem Gesicht etwa nicht stören?â
âDoch, vermutlich schon.â
âNa also.â
Karl erhob sich mühsam vom Sofa, er spürte den Schlafmangel und die Folgen des Adrenalinrausches und die Beule an seinem Hinterkopf und die zerschnittenen FuÃsohlen und sein pochendes Herz angesichts der Tatsache, dass er hier mit Maria war, und ging ein paar zaghafte Schritte auf und ab, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Maria hatte sich das Muttermal entfernen lassen, weil es möglicherweise Krebs war. So lautete zumindest Marias Version. Warum glaubte er ihr nicht? Weil er sie kannte? Weilsie, bevor sie gesagt hatte, dass es vielleicht bösartig sein könnte, an ihrer ...?
âVerdammt!â
âWas?â, fragte Maria und zuckte zusammen, was ihre Schulterwunde schmerzen lieÃ, woraufhin sie gleich noch einmal zusammenzuckte.
Karl setzte sich auf die Sofalehne und starrte sie an. âDu hast gelogen.â
âIch weià nicht, was du meinstâ, sagte Maria, aber ihre Stimme verriet das Gegenteil.
âIch kenne dich inzwischen lange genug, um zu wissen, dass du, immer wenn du lügst, auf deiner Lippe herumkaust. Genau wie gerade eben.â
Kurz spielte Maria mit dem Gedanken, an ihrer Geschichte, und es war nur eine Geschichte, wenngleich eine gute, wie sie fand, festzuhalten, aber dann dachte sie sich, was sollâs, nickte und sagte: âDu hast Recht.â Sagte: âIch habâs mir einfach nur wegmachen lassen, weil es mich gestört hat.â Sagte: âIch bin eitel, das weiÃt du.â Wischte Karls Einwand, viele sexy Frauen wie Madonna oder Cindy Crawford hätten ein Muttermal im Gesicht, das ihnen gefiel, mit einem knappen âIch nicht mehrâ beiseite. Sagte nicht: âEs tut mir leid, dass ich dich angelogen habeâ, denn das tat es ihr nicht.
âWarum hast du mir das nicht einfach erzählt?â, fragte Karl.
âHab ich doch gerade.â
âNein, du hast mich angelogen. Warum?â
Maria hielt die Luft ein paar Sekunden lang an, dann stieà sie sie mit einem Seufzer aus und sagte: âWeil ich wusste, wie du reagieren würdest.â
âAch jaâ, sagte Karl trotzig, âwie denn?â
âMit Unverständnis.â
âDa hast du verdammt Rechtâ, sagte Karl und stand auf. Er hatte das Gefühl, sich permanent am Aufstehen oder Niedersetzen zu befinden. Vielleicht sollte er sich mal für eine der beiden Varianten entscheiden. âIch kann nicht verstehen, weshalb du jemanden in deinemGesicht herumschneiden lässt, nur um ein winziges Muttermal zu entfernen.â
âSiehst du, und deshalb hab ich dich angelogen.â
âIch verstehâs trotzdem nicht.â
âDu bist ein Träumer, Karlâ, sagte Maria und
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