Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
Vom Netzwerk:
dem Mund wegmachen lassen, stimmt’s?“, sagte Karl mit triumphierender Miene. Er stand von dem auf die Dauer doch sehr unbequemen Behälter auf und massierte sich den Hintern, ehe er zur nach wie vor auf dem Sofa sitzenden Maria hinüberging, sich neben ihr niederließ und ihr hübsches Gesicht eingehend in Augenschein nahm. „Da“, sein rechter Zeigefinger verharrte zitternd wenige Millimeter vor ihrem Mund, „genau da war es, das Muttermal.“
    Maria rückte ein paar Zentimeter zur Seite, setzte ein trotziges Gesicht auf und schwieg.
    â€žWo ist dein süßes Muttermal?“, jammerte Karl.
    â€žDas ist weg.“
    â€žIch sehe, dass es weg ist.“
    â€žWarum fragst du dann?“
    â€žIch meine, was ist passiert?“
    â€žWas soll passiert sein? Ich hab’s entfernen lassen.“
    Karl seufzte. „Warum?“
    â€žEs hat mich gestört.“
    â€žEs hat dich gestört? Ich habe dieses Muttermal geliebt. Jeden Morgen, wenn ich neben dir aufwachte und mich im Bett umdrehte und dieses Muttermal sah, war ich glücklich.“
    Maria kaute an ihrer Unterlippe herum, betastete vorsichtig ihre Schulterwunde und sagte schließlich: „Der Arzt hat gemeint, es könnte vielleicht bösartig werden.“
    â€žKrebs?“, flüsterte Karl.
    â€žVielleicht“, sagte Maria.
    â€žVerstehe“, sagte Karl. „Eine Vorsichtsmaßnahme.“
    â€žGenau.“
    Karl überlegte ein paar Sekunden, dann sagte er mit argwöhnischer Stimme: „Hast du nicht gerade gesagt, es hat dich gestört?“
    â€žWürde dich ein potentielles Krebsgeschwür in deinem Gesicht etwa nicht stören?“
    â€žDoch, vermutlich schon.“
    â€žNa also.“
    Karl erhob sich mühsam vom Sofa, er spürte den Schlafmangel und die Folgen des Adrenalinrausches und die Beule an seinem Hinterkopf und die zerschnittenen Fußsohlen und sein pochendes Herz angesichts der Tatsache, dass er hier mit Maria war, und ging ein paar zaghafte Schritte auf und ab, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Maria hatte sich das Muttermal entfernen lassen, weil es möglicherweise Krebs war. So lautete zumindest Marias Version. Warum glaubte er ihr nicht? Weil er sie kannte? Weilsie, bevor sie gesagt hatte, dass es vielleicht bösartig sein könnte, an ihrer ...?
    â€žVerdammt!“
    â€žWas?“, fragte Maria und zuckte zusammen, was ihre Schulterwunde schmerzen ließ, woraufhin sie gleich noch einmal zusammenzuckte.
    Karl setzte sich auf die Sofalehne und starrte sie an. „Du hast gelogen.“
    â€žIch weiß nicht, was du meinst“, sagte Maria, aber ihre Stimme verriet das Gegenteil.
    â€žIch kenne dich inzwischen lange genug, um zu wissen, dass du, immer wenn du lügst, auf deiner Lippe herumkaust. Genau wie gerade eben.“
    Kurz spielte Maria mit dem Gedanken, an ihrer Geschichte, und es war nur eine Geschichte, wenngleich eine gute, wie sie fand, festzuhalten, aber dann dachte sie sich, was soll’s, nickte und sagte: „Du hast Recht.“ Sagte: „Ich hab’s mir einfach nur wegmachen lassen, weil es mich gestört hat.“ Sagte: „Ich bin eitel, das weißt du.“ Wischte Karls Einwand, viele sexy Frauen wie Madonna oder Cindy Crawford hätten ein Muttermal im Gesicht, das ihnen gefiel, mit einem knappen „Ich nicht mehr“ beiseite. Sagte nicht: „Es tut mir leid, dass ich dich angelogen habe“, denn das tat es ihr nicht.
    â€žWarum hast du mir das nicht einfach erzählt?“, fragte Karl.
    â€žHab ich doch gerade.“
    â€žNein, du hast mich angelogen. Warum?“
    Maria hielt die Luft ein paar Sekunden lang an, dann stieß sie sie mit einem Seufzer aus und sagte: „Weil ich wusste, wie du reagieren würdest.“
    â€žAch ja“, sagte Karl trotzig, „wie denn?“
    â€žMit Unverständnis.“
    â€žDa hast du verdammt Recht“, sagte Karl und stand auf. Er hatte das Gefühl, sich permanent am Aufstehen oder Niedersetzen zu befinden. Vielleicht sollte er sich mal für eine der beiden Varianten entscheiden. „Ich kann nicht verstehen, weshalb du jemanden in deinemGesicht herumschneiden lässt, nur um ein winziges Muttermal zu entfernen.“
    â€žSiehst du, und deshalb hab ich dich angelogen.“
    â€žIch versteh’s trotzdem nicht.“
    â€žDu bist ein Träumer, Karl“, sagte Maria und

Weitere Kostenlose Bücher