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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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wieder auf dem unbequemen Stahlfass saß, das ihn magisch anzuziehen schien.
    â€žWovor denn?“, fragte Maria. Sie lag auf dem Sofa, die zierlichen Füße auf der Lehne, die Augen halb geschlossen, und spielte mit dem Riemen ihrer Kamera, die ausgeschaltet in ihrem Schoß lag.
    â€žDavor, ich weiß nicht, normal zu werden, verstehst du?“
    â€žGlaub schon.“
    â€žAls ich eingezogen bin, ich meine, in den Neunten, nachdem ich von Costa Rica wieder zurück war, also, da war ein Teppichboden in der Wohnung, wahrscheinlich ist er immer noch dort“, Karl lachte, ehe er fortfuhr, „und nur wegen dieses blöden Teppichs hab ichmir einen Staubsauger kaufen müssen, den ersten in meinem Leben. In bin in so ein kleines Elektrogeschäft in der Porzellangasse gegangen und der Verkäufer hat mir diverse Modelle vorgeführt. Oh, er war ausgesprochen nett und höflich, und dennoch bin ich mir komisch vorgekommen, so in diesem kleinen Laden herumzustehen und mir einen Staubsauger zu kaufen.“
    â€žWieso komisch?“
    â€žNa ja, komisch ist vermutlich das falsche Wort.“ Karl seufzte angesichts der Erinnerung an diesen sonnigen, grimmigkalten Nachmittag vor rund sechs Monaten.
    â€žSondern?“
    â€žAlt“, sagte Karl. „Ich bin mir so richtig alt vorgekommen. Alt und spießig. Jetzt ist es also so weit, hab ich gedacht, daran kann ich mich noch genau erinnern. Jetzt bist du dreißig und du kaufst einen Staubsauger und in ein paar Jahren wählst du ÖVP und dann ist es vorbei.“
    Maria grinste und verdrehte die Augen.
    â€žWas?“, sagte Karl. „Passiert dir so was nie? Ertappst du dich nie dabei, dass du etwas tust oder sagst, und plötzlich schießt dir durchs Hirn, dass deine Eltern genau das Gleiche tun oder sagen könnten?“
    â€žMeine Eltern sind ziemlich okay“, sagte Maria.
    â€žDu weißt, was ich meine“, sagte Karl verärgert und wischte den Einwand beiseite.
    Leise ächzend setzte sich Maria auf, man wurde nicht jünger, da hatte Karl Recht, und frau auch nicht, legte die Kamera neben sich, rieb sich die verquollenen Augen und schaute hinüber zu Karl, der krumm wie ein Fragezeichen auf diesem unbequem aussehenden Stahlbehälter saß und den Kopf mit beiden Händen aufstützte. „Ich finde, es kommt nicht nur drauf an, was man tut, sondern auch, wie man es tut und aus welchen Gründen.“
    Verwirrt hob Karl den Kopf und sagte: „Was hat das jetzt mit meinem Staubsauger zu tun?“
    Maria seufzte, dann stand sie vom Sofa auf, streckte sich genüsslich,warf einen Blick aus dem Fenster, nichts Neues da unten, wandte sich wieder an Karl und sagte: „Weißt du, worauf ich jetzt wahnsinnige Lust hätte?“
    Während sie über den Platz vor dem Zentralfriedhof schlenderten, Drechsler voran, gefolgt von Widmaier, der schon wieder mit seiner Frau telefonierte, und Kollaritz und Lehner, die sich in ärztlichen Fachsimpeleien ergingen und von einer müde dahinschleichenden Nubia begleitet wurden, während sie so dahingingen, den Beamten auswichen und den zu dieser späten oder, besser gesagt, frühen Stunde immer noch oder schon wieder penetranten Vertretern der Presse, versuchte Fritz Drechsler, sich den Bauplan einer M18 Claymore-Mine vor seinem geistigen Auge vorzustellen. Er paffte eine seiner nach Nelken riechenden oder stinkenden, je nachdem, wen er fragte, Zigaretten und analysierte in seinem Kopf jedes noch so winzige Detail der Konstruktionszeichnung. Nicht dass er dachte, in Bälde so eine Mine entschärfen zu müssen, abgesehen von Übungsmodellen während seiner Grundausbildung hatte er noch nie eine Claymore zu Gesicht bekommen, nein, er brauchte schlichtweg eine Beschäftigung, die ihn wach hielt, und jetzt, gegen drei in der Nacht, gesättigt, halbwegs beruhigt bezüglich dessen, was die Zukunft bringen würde, die nahe, sprich, die Vorgänge in und um die Fabrik, und die fernere, sprich Maria, jetzt war er einfach so verdammt müde, dass er das Gefühl hatte, im Gehen einzuschlafen, wenn er sein Gehirn nicht mit etwas beschäftigte, und he, warum nicht mit einer amerikanischen Antipersonenmine?
    Schließlich blieb er stehen, nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, ehe er sie auf den Boden fallen ließ und sie austrat, und wartete, bis Widmaier, der soeben sein Handy in die Hosentasche steckte, die beiden

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