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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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wurden.
    â€žHe“, sagte der Rote und packte Widmaier, der soeben mit dem vierten und letzten Stuhl aus dem Container kam, am Hemd, „die könnt ihr nicht einfach mitnehmen. Die sind nur für Sanitäter.“
    Widmaier wischte die Hand des Roten von seinem Oberarm und sagte: „Wenn ich dir eine auf die Nase haue und dir anschließend die Blutung mit einem Tempo stille, gelte ich dann als Sanitäter?“
    Der Rote wollte etwas sagen, besann sich dann aber eines Besseren, legte sich zurück in seinen Stuhl und murmelte: „Wär nett, wenn wir die wiedersehen würden.“
    â€žKeine Sorge“, sagte Drechsler, „morgen früh …“
    â€žâ€¦ wenn Gott will …“
    â€žâ€¦ sind die Stühle wieder hier.“
    Dann marschierten sie, jeder einen Stuhl unter den Arm geklemmt, nach hinten, in die dunkle Ecke, klappten die Stühle auf, legten sich hinein und taten das, was alle Soldaten machten, wenn sie nicht kämpften. Sie schliefen.
    â€žWow“, sagte Maria, „ich hab ganz vergessen, wie viel Spaß das macht.“
    Karl nickte, was sie nicht sehen konnte, und beobachtete sie, wie sie in die Pedale trat, ihr kurzes Haar lag an ihrem Kopf an wie ein Sturzhelm, die Arme angewinkelt, schließlich war das Klapprad ziemlich klein, und freute sich, dass Maria sich freute. Er saß auf einem halbmeterhohen Stapel Europaletten, mit dem Rücken an den angenehm kühlen Beton der Produktionshalle gelehnt, spielte mit dem Saum seines T-Shirts und schaute seiner Exfreundin dabei zu, wie sie ein Stück glücklicher Kindheit hier, in dieser von schwerbewaffneter Polizei umstellten Halle, inszenierte; und das offensichtlichmit Erfolg. Sie quietschte und jaulte vor Freude wie eine Gummimaus in den Fängen einer psychopathischen Katze.
    Nachdem Maria ihm, oben im Büro, gesagt hatte, worauf sie wirklich große Lust hätte, hatte Karl sich den Grundriss des Gebäudes vor Augen geführt und sich gefragt, ob es ein Problem darstellen würde, Marias Wunsch zu erfüllen. Ergebnis: nein. Also waren sie mit dem Lift hinuntergefahren ins Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes, hatten den kurzen Gang durchschritten, der diesen mit der Produktionshalle verband, hatten in der Halle erst mal Licht gemacht (bedenklich, laut Maria, völlig in Ordnung, so ein plötzlich entspannter und unergründlich optimistischer Karl) und sich umgesehen. Paletten, Kartons, Gabelstapler, Förderbänder, Seilzüge mit schweren Ketten, die von der Decke hingen, Reifenspuren auf dem Betonboden. Karl hatte überlegt, wo er sein Fahrrad abgestellt hatte, und dann war ihm eingefallen, wo. Zu Hause. Er war mit dem Taxi hergekommen. Er hatte sich nach Maria umgedreht, um ihr die schlechte Nachricht mitzuteilen, dann aber ihr erwartungsvoll strahlendes Gesicht gesehen und es nicht übers Herz gebracht, das ihre zu brechen. Leise vor sich hinmurmelnd hatte er sich auf die Suche nach einem, irgendeinem, Fahrrad gemacht. Er wusste, dass Rießer, der Vorarbeiter, seine Inspektionstouren meistens zu Fuß unternahm, er aber für den Notfall, sprich, er war zu verkatert vom Vortag, irgendwo ein altes Damenklapprad herumstehen hatte. Und das hatte Karl dann auch gefunden, hinter einen Stapel Kartons mit Rosenölbadezusätzen geklemmt, von wo er es herausgezerrt und einer strahlenden Maria vor die Füße gerollt hatte.
    â€žWeißt du“, sagte Maria schließlich atemlos, nachdem sie das Rad einen Zentimeter vor den Paletten zum Stehen gebracht hatte und abgestiegen war, „ich hatte schon Angst, ich hätte es vielleicht verloren.“
    â€žAngst?“, sagte Karl und machte ein spöttisches Gesicht.
    Maria hockte sich auf den rostigen Gepäckträger und deutete mit dem Zeigefinger auf Karl. „Du hast mich angesteckt, mit deiner Suada vorhin im Büro. Und als wir runtergegangen sind, da hab ichgedacht, was, wenn er Recht hat? Was, wenn ich auch plötzlich alt geworden bin und es einfach nicht gemerkt habe? Wenn es außer der Arbeit nichts mehr gibt, das mich noch interessiert, oder, noch schlimmer, das mir Spaß macht. Aber …“
    â€žWas aber?“, fragte Karl, der genau wusste, was jetzt kommen würde.
    â€žAber“, ein triumphierendes Grinsen und zwei hoch in die Luft geworfene Arme, „aber ich hab mir umsonst Sorgen gemacht. Ist alles noch da. Hier drin.“ Sie klopfte sich auf die

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