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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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reden sie natürlich mit der bösen, bösen Konkurrenz und draußen, vor dem Steinsaal, darf man seit einiger Zeit keine Interviews mehr machen, weil sich angeblich ein Minister darüber aufgeregt hat, dass ihm, während er noch hechelnd die Treppen raufkeucht, auch schon ein Mikro vor die Nase gehalten wird.“ Sie stieß einen Schwall Rauch aus, strich Dimitri übers Fell und fuhr fort: „Na ja, dann, so gegen halb elf, fängt die Sitzung an und wenn du Pech hast, dauert die bis eins oder zwei, und du kannst nichts anderes tun als herumhocken und rauchen und Kaffee trinken und tratschen. Früher, unter den Sozis, hat es wenigstens noch ein richtiges Frühstück gegeben, jetzt steht da nur mehr Kaffee und Saft und so grauenvolles Obst. Wie auch immer, die Pressesprecherin vom Bundeskanzler hat uns davor bewahrt, an Langeweile zu sterben.“
    â€žWarum das?“, fragte Romy und beugte sich vor. Fernsehtratsch interessierte sie brennend.
    Isabella lächelte. Sie genoss ihren Auftritt sichtlich. „Na ja, aus irgendeinem Grund fehlten die Jalousien im Kongresssaal, wo immer die Pressefoyers abgehalten werden, und mein Kameramann hat einen Lichttest gemacht und gemeint, es sei zu hell, ob es möglich sei, die Fenster zu verdunkeln. Die Pressesprecherin vom Kanzler verschwindet kurz und taucht mit einem Leintuch wieder auf, keine Ahnung, wo sie das her hatte. Nun steht sie also im Kongresssaal, alles Gold und Stuck und so weiter, in Strümpfen auf dem Fensterbrett, und versucht, mit Hilfe von Isolierband, das Leintuch ans Fenster zu kleben, was natürlich nicht gelingt. Ein Typ vom Bundespressedienst eilt ihr zu Hilfe und jetzt stehen zwei da oben auf dem Fensterbrett, sie in enger Bluse und grüner Lederhose, er im braunen Anzug mit pinkem Polohemd. Es war köstlich.“ Isabella lachte und wischte sich ein paar Tränen aus den Augen.
    â€žUnd, weiter?“, fragte Maria, die die Geschichte eigentlich nicht besonders interessant fand. Sie hatte sich die Arbeit im Nachrichtenressort spannender vorgestellt, als Kampf, Auge in Auge, mit widerspenstigen Politikern, nicht als Match gegen zu grelles Licht. Nun ja, Isabellas Tratsch war zumindest aufregender als die Ausstellung.
    Isabella trank ihren Beton aus und stellte das Glas auf den Tisch. „Schließlich hält das Leintuch“, sagte sie, „und alle sind zufrieden, die Kameramänner machen ihre Tests und plötzlich, flapp, segelt das Leintuch mitsamt dem Isolierband zu Boden und das grelle Sonnenlicht strahlt wieder in den Saal. Okay, was tun? Die Pressesprecherin zückt ein Handy und eine Minute später tauchen zwei Typen im Blaumann auf, die eine riesige Leiter mitschleppen. Während der eine unten die Leiter hält, kraxelt der andere oben herum und hängt einen Vorhang auf. Mittlerweile haben wir natürlich im Kongresssaal herumgestanden und geschaut, war ja sonst nix los, und schließlich, nach mehreren Minuten Herummurksen, hängtder Vorhang, die zwei Typen gehen wieder und mein Kameramann zieht den Vorhang ein wenig zur Seite und schaut hinaus und …“
    â€žWas?“
    â€žDie Sonne war hinter einer Wolkendecke verschwunden.“
    Alle lachten. Dimitri, dem die Aufregung offensichtlich unangenehm war, gab ein leises Knurren von sich, das, Marias bescheidener Meinung nach, keine Fliege verscheucht hätte, aber Isabella dazu brachte, ihren Vortrag zu unterbrechen und den Kater hinter den Ohren zu kraulen, bis er zufrieden grunzte.
    â€žUnd wie war die Pressekonferenz?“, fragte Maria und spielte mit ihrem Glas.
    Isabella winkte ab. „Langweilig. Die EU hat höhere Tabaksteuern beschlossen und Österreich setzt sie schon früher um als notwendig, bla bla bla. Interessanter war der Tratsch. Welcher Minister leidet angeblich unter welcher Krankheit, wessen Pressesprecher ist wegen welchem Zipperlein in Behandlung und so weiter.“
    â€žKlingt spannend“, sagte Romy und beugte sich weiter vor.
    Isabella grinste sardonisch und deutete mit dem Finger auf Maria. „Viel spannender finde ich den neuen Typen von Maria. Wie heißt er und was macht er?“
    â€žAha“, sagte Widmaier schließlich, als Drechsler mit seiner Erzählung fertig war, „eine Fernsehtussi. Na ja.“ Er zuckte mit den Schultern und trank einen Schluck Red Bull.
    Drechsler kratzte sich lächelnd am Bart, nahm eine Sampoerna aus der rotweißen

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