Kolibri
ihn gegen den Oberarm.
âWas?â, meinte Widmaier und schaute sie mit verständnislosem Blick an.
Drechsler versuchte, die Situation zu entschärfen, indem er, scheinbar interessiert, fragte: âUnd mit dem Nachwuchs? Wie siehtâs damit aus?â
Karin hob ruckartig den Kopf. âWir übenâ, sagte sie mit gequältem Lächeln, âbisher ohne Erfolg.â
Drechsler grinste. âVielleicht hat er schlechte Spermien, dein Erich.â
Widmaier warf ihm einen kühlen Blick zu. âMeine Spermien sind in Ordnung, danke der Nachfrageâ, sagte er.
Karin seufzte resigniert und trank einen Schluck Red Bull aus dem Glas ihres Mannes. âVielleicht sollte ich mich vergewaltigen lassen.â
âWas?â
âStand in der Zeitungâ, sagte Karin. âAmerikanische Wissenschaftler haben angeblich herausgefunden, dass vergewaltigte Frauen häufiger schwanger werden als solche, die Sex mit, ich zitiere, beiderseitigem Einverständnis hatten.â
âWissenschaftler, hm?â, sagte Drechsler abschätzig.
âJon und Tiffany Gottschallâ, sagte Karin. âDie Uni hab ich vergessen.â
âTjaâ, sagte Widmaier, âdie müssenâs ja wissen. Sind sicher echte Experten, was Vergewaltigung anlangt.â Vergewaltigung hatte, wie ihnen allen klar war, wenig mit Sex und viel mit Macht zu tun. Frag einen Vergewaltiger, dachte er.
âOvulierende Frauenâ, sagte Karin, âund ich zitiere wieder, strahlenanscheinend unbewusst Signale aus, die von Vergewaltigern wahrgenommen werden.â
âDas alles haben diese beiden Wissenschaftler herausgefunden?â Karin nickte.
âWenn du schwanger bist, hockst du den ganzen Tag in der Wohnung und musst dich um die Hausarbeit kümmernâ, sagte Drechsler, der den Kopf ein wenig zur Seite drehte und unauffällig zum Fernseher blickte.
âDas heiÃt jetzt nicht mehr Hausarbeitâ, sagte Karin.
âNein?â
âNein. House-Management.â
Widmaier nickte gewichtig. âHouse-Management. Mit au oder ou und einem e am Ende?â
âOu und ein e am Endeâ, sagte Karin.
âEnglischâ, flüsterte Widmaier ehrfürchtig.
âWas würdest du mit einem Kind unternehmen?â, fragte Drechsler, der sich nicht wirklich für das Thema interessierte, aber das Gefühl hatte, irgendwas dazu sagen zu müssen.
âIn den Zoo gehenâ, sagte Karin. âOder in den Zirkus.â
Widmaier schüttelte den Kopf. âZoo von mir aus, aber mein Kind geht mir nicht in einen Zirkus. Als ich klein war, hat mich meine Tante mit in den Zirkus genommen und jedes Kind hat eine von diesen schmalen Milkatafeln bekommen. In manchen von denen befanden sich angeblich Gewinnlose. Meine Schokolade war noch in Plastik eingeschweiÃt, da konnte also gar kein Los drin sein. Ich wollte eine andere Tafel, aber die Frau an der Kassa hat mich einfach zur Seite geschoben.â Er schüttelte erneut den Kopf. âMein Kind geht mir nicht in einen Zirkus.â
âKein Wunder, dass du ein Bulle geworden bistâ, sagte Drechsler, âwenn du als Kind schon so sensibel warst.â
âDu sagst esâ. Widmaier legte seinen mächtigen Arm um seine Frau und widmete sich wieder dem FuÃballspiel.
Drechsler zündete sich noch eine Zigarette an, zerrte heimlich sein Handy aus der Hosentasche und warf einen Blick aufs Display.âWie sieht er denn aus?â, fragte Romy und zermalmte ein paar Chips zwischen ihren kleinen weiÃen Zähnen.
Maria grinste und zuckte mit den Schultern. âWie wohl? Gut natürlich.â
âSo genau wollte ich es gar nicht wissen.â
Mittlerweile saÃen sie wieder am Sperrholztisch, jede ein Glas Beton vor sich, im Aschenbecher schwelte eine Zigarette, die anscheinend niemandem gehörte,
Dancing Queen
von
ABBA
lief, die Leute drängten sich auf der Tanzfläche, allen klebten die Klamotten am Leib, die Luft roch nach Rauch und Schweià und Parfum und Veränderung.
âEr ist Ende dreiÃigâ, sagte Maria, âsieht aber jünger aus. Gut in Form, knapp eins fünfundachtzig, kurze Haare, Bart.â
Isabella stöhnte auf und entlockte dadurch Dimitri ein ängstliches Keuchen. Während sie dem Kater beruhigend übers Fell strich, sagte sie: âIch hatte mal was mit einem Bärtigen.â
âUnd?â, fragte Romy.
Auf Isabellas Gesicht stahl
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