Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
das Dröhnen einer gigantischen Trommel, «so enorm in ihren Ausmaßen», erinnerte sich der Konquistador später, «dass sie noch auf fünfzehn bis zwanzig Kilometer zu hören war». Die Spanier fuhren herum. Sie sahen, wie Soldaten der Allianz am anderen Ufer ihre Kameraden, noch triefend nass vom Hinterhalt im Kanal, auf die Spitze eines gewaltigen, pyramidenförmigen Tempels schleiften. In der Absicht, den Gegner zu erschrecken und zu demoralisieren, schlitzten die Soldaten und Priester des Dreibunds den Gefangenen die Brust auf und rissen ihnen die Herzen heraus, dann stießen sie die Leichen die Tempelstufen hinunter. Am nächsten Morgen führten sie einen anderen Gefangenen – «einen gutaussehenden Sevillaner», wie Durán schrieb – an den Rand des Kanals, sodass er gut sichtbar war für seine Freunde, und «hieben ihn dort in Stücke». [550] Als Tenochtitlan fiel, bekam Cortés seine Revanche. Er sah zu, wie seine Soldaten und ihre indigenen Verbündeten die in Trümmern liegende Stadt plünderten, die Männer abschlachteten und die Frauen vergewaltigten.
Tenochtitlan, hier in der Rekonstruktion eines Gegenwartskünstlers, machte tiefen Eindruck auf die Spanier, als sie es zum ersten Mal erblickten – die Stadt war größer als jede Ortschaft in Spanien. Geschützt wurde sie von einem in Windungen verlaufenden, fünfzehn Kilometer langen Deich (ganz rechts auf dem Bild), der das Brackwasser des Hauptsees von einem neuen, künstlichen Frischwassersee trennte, der die Stadt umgab und das Wasser für die künstlichen schwimmenden Anbauflächen, die sogenannten Chinampas, lieferte.
Vielleicht hatte Juan Garrido den Hinterhalt miterlebt oder die geopferten Spanier gekannt oder beides. Auf jeden Fall forderte Cortés ihn auf, die Kapelle der Märtyrer zu erbauen, als Denkmal und Friedhof für die gefallenen Konquistadoren, an dem Ort, wo der Hinterhalt stattgefunden hatte. [551] Der Auftrag war nur einer von vielen, denn Garrido gehörte schon bald zu den universell einsetzbaren Männern des Konquistadoren, als dieser das spanische Mexico City buchstäblich auf den Ruinen des indianischen Tenochtitlan errichten ließ. Johann der Stattliche wurde eine Art Majordomus für die neue Stadtregierung: Beschützer der Bäume, die auf den stadteinwärts führenden Straßen Schatten spendeten – die Dokumente geben keinen Aufschluss, aber man darf vermuten, dass die Bäume als Brennholz geschlagen wurden –, Wächter der wichtigsten Wasserversorgungsleitung der Stadt – Tenochtitlan hatte kein eigenes Wasser, sondern erhielt es durch ein Aquädukt, das von Bergquellen gespeist wurde – und Stadtschreier – eine Stellung, die nach Auskunft von Restall verschiedene Pflichten in sich vereinigen konnte: die des «Gesetzeshüters, Auktionators, Henkers, Pfeifers, Eichmeisters [der Gold und Silber zu prüfen hatte] und Türhüters oder Wächters». Zum Dank durfte Garrido 1535 Cortés bei seinem unglücklichen Versuch begleiten, Mexiko zu durchqueren und nach China zu segeln – letztlich das Ziel aller spanischen Abenteurer. [552]
Seinen größten Beitrag leistete Garrido, nachdem Cortés drei Körner Weichweizen
(Triticum aestivum)
in einem aus Spanien eingetroffenen Sack Reis gefunden hatte. Der Eroberer wies sein Mädchen für alles an, sie in der Nähe der Kapelle auf einem Acker auszusäen, der als eine Art Versuchsfarm diente. «Zwei davon gingen auf», berichtete der Historiker Francisco López de Gómara im Jahr 1552 , «und eines trug hundertachtzig Körner. Diese Körner wurden wiederum eingepflanzt, und ganz allmählich gab es Weizen in Hülle und Fülle: ein [Korn] ergibt, wenn man es wässert und mit der Hand aussät, hundert, dreihundert und noch mehr Körner … Das alles verdanken wir einem Schwarzen und Sklaven!»
Den Weizen brauchten nicht nur die Brötchen essenden, Kuchen mampfenden, Bier schlürfenden Konquistadoren, sondern auch der politisch einflussreiche Klerus, der ohne Brot die Messe nicht angemessen feiern konnte. Wiederholt hatten die Spanier versucht,
T. aestivum
auf Hispaniola anzubauen, und waren immer wieder am heißen, feuchten Klima gescheitert. Garridos Weizen wurde begeistert aufgenommen, denn er war der Geschmack der Heimat in einem fremden Land. Schon bald wogte das goldene Fischgrätenmuster der Weizenähren in ganz Zentralmexiko und verdrängte Tausende von Hektar Mais und Wald. Mehr noch, die mexikanischen Kleinbauern sagen, die Spanier hätten Garridos
T.
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