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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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niederen Adels, gekauft. Dorantes, der davon träumte, ein berühmter Konquistador wie Cortés zu werden, schloss sich, mit Esteban im Schlepptau, einer Überseeexpedition unter Führung von Pánfilo de Narváez an, einem über die Maßen ehrgeizigen kastilischen Herzog, der alle Eigenschaften besaß, die man von einem guten Heerführer erwartet – ausgenommen Urteilsfähigkeit und Glück.
    Am 14 . April 1528 landeten mehr als vierhundert Männer, unter ihnen eine unbekannte Zahl von Afrikanern, unter Narváez’ Kommando in Südflorida. Eine Katastrophe folgte auf die andere, als sie auf der Suche nach Gold an Floridas Golfküste Richtung Norden zogen. Narváez ging auf See verloren; Indianer, Krankheiten und Hunger rafften die Mehrzahl der Expeditionsteilnehmer dahin. Nach ungefähr einem Jahr bauten die Überlebenden behelfsmäßige Boote und versuchten, nach Hispaniola zu gelangen. Vor der Küste von Texas liefen sie auf Grund und verloren den größten Teil ihrer Vorräte. Da waren von den ursprünglich vierhundert Männern nur noch vierzehn am Leben. Bald waren es nur noch vier, einer von ihnen war Esteban, ein anderer Estebans Besitzer Dorantes.
    Die vier Männer zogen unter schwierigsten Bedingungen nach Westen, in Richtung Mexiko. Sie aßen Spinnen, Ameiseneier und Kaktusfeigen. Sie verloren alles, was sie besaßen, und wanderten nackt weiter. Sie wurden versklavt, gefoltert und erniedrigt. Als sie so von einem indianischen Herrschaftsgebiet ins nächste gelangten, begann man sie für Geistheiler zu halten – als habe ihre entsetzliche, entbehrungsreiche Wanderung diese seltsamen, nackten, bärtigen Gestalten in enge Beziehung zum Numinosen gebracht. Vielleicht hatten die Indianer recht, denn Esteban und die Spanier begannen, Krankheiten durch Gesang und Kreuzzeichen zu heilen. Einer der Spanier weckte einen Mann von den Toten auf – oder behauptete es zumindest. Sie trugen Muscheln an den Armen und Federn an den Beinen und führten Skalpelle aus Feuerstein mit sich. Schließlich folgten den Wanderheilern Hunderte von Anhängern. Dankbare Patienten machten ihnen Geschenke: üppige Mahlzeiten, kostbare Steine, sechshundert getrocknete Hirschherzen.
    Esteban war der Kundschafter und Gesandte, die Vorhut, die auf den vielen Tausend Kilometern nach Südwesten, am Golf von Kalifornien entlang und über das zentralmexikanische Gebirge, mit jeder neuen Kultur Kontakt aufnahm. In gewisser Weise war Esteban der Führer der Gruppe. Mit Sicherheit hing das Leben der Spanier immer dann von ihm ab, wenn er auf einen neuen Stamm traf, mit seinem Schamanenkürbis rasselte und erklärte, wer sie waren.
    Acht Jahre nach ihrem Aufbruch trafen die vier Überlebenden der Narváez-Expedition in Mexico City ein. Die drei Spanier wurden gefeiert und geehrt, Esteban wurde wieder versklavt und verkauft. Sein neuer Besitzer war Antonio de Mendoza, Vizekönig von Neuspanien. Schon bald gab Mendoza ihn einer Expedition, die nach Norden geschickt wurde, als Führer mit: Esteban war wieder unterwegs. Die Expedition suchte nach den Sieben Goldstädten. Angeblich waren sie im 8 . Jahrhundert von portugiesischen Priestern gegründet worden, die vor der muslimischen Invasion geflohen waren. Seit Jahrzehnten suchten Spanier und Portugiesen nach ihnen – die Sieben Städte waren die iberische Version des Sasquatchs oder Yetis. Warum diese Städte ausgerechnet im Südwesten der heutigen USA vermutet wurden, ist ungeklärt und vielleicht auch unerklärlich. Irgendwie hatten die Geschichten der Narváez-Überlebenden diesen Mythos wiederbelebt, und Mendoza war ihm erlegen.
    Leiter der Expedition war Marcos de Niza, ein Franziskanermissionar, dem niemand mangelnden Eifer vorwerfen konnte. Mendoza hatte Esteban ausdrücklich aufgetragen, dem Pater zu gehorchen. Aber Esteban war nicht gewillt, sich an irgendwelche Befehle zu halten. Auf dem Weg nach Norden begegnete er Indianern, die sich noch von seiner letzten Reise an ihn erinnerten. Er warf seine spanischen Gewänder ab, legte Glocken, Federn und Türkise an und schwang seine Rassel nach Art der heiligen Männer. Abermals versammelte er mehrere hundert Anhänger um sich. Er missachtete Nizas Anordnung, mit den rituellen Heilungen aufzuhören und sich von seinen Patienten weder Alkohol noch Frauen schenken zu lassen.
    Nach Überquerung des Rio Grande eilte Esteban mit seinen Anhängern der Expedition voraus – was er, wie der Missionar behauptete, selbst entschieden habe. Rasch

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