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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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gewannen sie einen Vorsprung von vielen Kilometern. Abermals drang Esteban in ein Gebiet vor, das noch nie ein Mensch aus Übersee erblickt hatte. Nach Tagen der Trennung stieß Niza auf einige Leute aus Estebans Gefolge – verwundet und blutend. In den Bergen, an der heutigen Grenze zwischen Arizona und New Mexico, so berichteten sie, seien sie an die Zuñi-Stadt Hawikuh gelangt, eine Ansammlung von zwei- und dreistöckigen Häusern, die wie weiße Stufen einen Hügel hinaufführten. Ihr Herrscher habe ihnen zornig den Zutritt verwehrt und sie samt Esteban stattdessen in eine große Hütte gesperrt, ohne ihnen zu essen und zu trinken zu geben. Esteban sei am nächsten Tag bei einem Fluchtversuch, wie die meisten seiner Begleiter, umgebracht worden.
    Die Zuñi erzählten eine andere Geschichte – viele andere Geschichten, sollte ich sagen, denn es waren zahlreiche Versionen im Umlauf. Nach einer wurde Esteban nicht abgewiesen, sondern freundlich empfangen. Man hatte in Hawikuh schon von diesem Mann und seiner ungewöhnlichen Reise gehört und wollte ihn dort behalten – und zwar unter allen Umständen, zumindest laut dieser Geschichte. Noch nie hatten sie einen Mann wie ihn gesehen, einen Mann von so ungewöhnlicher körperlicher Beschaffenheit, mit solcher Haut und solchem Haar, einen Mann, der über ein so reiches Wissen und möglicherweise noch ganz andere Fähigkeiten verfügte – kurz, er war ein wertvoller Besitz, den sie auf keinen Fall verlieren wollten.
    Um ihn am Fortgehen zu hindern, trennten sie ihm die Unterschenkel ab, legten ihn sanft auf den Rücken und konnten sich fortan seiner übernatürlichen Gegenwart erfreuen. So habe Esteban noch viele Jahre gelebt und sei immer mit der Hochachtung behandelt worden, die einer so ungewöhnlichen Erscheinung gebührte – auf dem Rücken liegend, die Beine ausgestreckt, die Stümpfe stets mit sauberen Tüchern umwickelt.
    Alle Versionen seines Endes beruhen auf Geschichten, die immer wieder weitererzählt wurden. Was wirklich mit ihm geschah, wird wohl niemals mit Sicherheit geklärt werden. Nur eines scheint festzustehen: Dieser Mann, der so viel bewegte, verfiel derselben Illusion, die manch einem Spanier zum Verhängnis wurde. Er glaubte, er habe die neue Welt, die er schuf, völlig im Griff. Dabei vergaß er, dass jede Welt ihre eigenen Gesetze hat. [601]
    Der Wert der Familie
    Tenochtitlan fiel am 13 . August 1521 , begleitet von Massakern und Chaos. Auf den Wasserwegen vor der zerstörten Stadt entdeckten spanische Soldaten einige Kanus. In spanischen Schriften heißt es, die Insassen hätten sich im Schilf versteckt und seien erst nach gründlicher Suche entdeckt worden. Nach den Berichten der Indios haben die Leute in den Booten die Eroberer aufgesucht, um sich zu ergeben. Historiker neigen heute zu letzterer Interpretation. Im Chaos von Plünderung und Zerstörung der Stadt wäre es für die Menschen ein Leichtes gewesen, sich zu verbergen, daher spricht einiges dafür, dass die Insassen der Kanus noch nicht einmal versucht haben, sich einer Entdeckung zu entziehen.
    In einem der Boote befand sich Cuauhtemoc, der letzte Führer des Dreibunds; in anderen saßen seine Angehörigen. Die Herrscher von Tenochtitlan waren, wie die europäischen Monarchen, seit langem bestrebt, ihre Macht zu festigen, indem sie innerhalb einer auserwählten Gruppe von anderen hochstehenden Familien heirateten. Daher war der Stammbaum der Herrscherfamilie kompliziert. Er sollte noch komplizierter werden.
    Cuauhtemoc, damals Anfang zwanzig, war der Neffe von Motecuhzoma  II ., dem berühmten «Montezuma», der während des ersten Angriffs von Cortés auf die Hauptstadt von diesem im eigenen Palast als Geisel gehalten worden war. Motecuhzoma wurde getötet – wie genau, ist umstritten –, als Cortés’ Streitkräfte durch einen Gegenangriff aus der Stadt vertrieben wurden. Sein Nachfolger blieb nur knapp zwei Monate im Amt, bevor er an den Pocken starb. Zur Stärkung seiner Legitimität hatte der Nachfolger Motecuhzomas Tochter Tecuichpotzin geheiratet, die beim ersten Angriff zur Witwe geworden war. Der Nachfolger starb, als die spanisch-indianische Allianz ihren zweiten Angriff auf Tenochtitlan begann. Cuauhtemoc war achtzehn, als er den Thron bestieg. Aus demselben Grund wie sein Vorgänger hatte er schnell Tecuichpotzin geheiratet. Auch sie befand sich in einem der Kanus.
    Als Gefangener hatte Motecuhzoma Cortés gebeten, seine Familie zu schützen. Das war

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