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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Krankheiten waren, keine sozialen Netze hatten, die ihnen die Flucht erleichterten, und nützliche Fertigkeiten besaßen – viele afrikanische Kulturen waren bekannt für ihre Eisenbearbeitung und den Umgang mit Pferden. Immer mehr Sklavenschiffe legten im Hafen von Santo Domingo an. [595]
    Die Sklaven ließen sich nicht so leicht beaufsichtigen, wie die Kolonisten gehofft hatten. Genau wie Adam Smith es vorhergesagt hätte, waren sie erbärmliche Arbeiter. Sie täuschten Krankheiten vor, vernachlässigten absichtlich ihre Aufgaben, verloren Vorräte, sabotierten die Ausrüstung, stahlen Wertsachen, verstümmelten die Tiere, die das Zuckerrohr schleppten, ruinierten vorsätzlich den raffinierten Zucker – all dies das Rüstzeug des Plantagensklaven. «Waffen der Schwachen» nannte der Politikwissenschaftler James Scott sie in einer klassischen Studie gleichen Namens. Aber so schwach waren die Sklaven gar nicht, wenn sie ins Hochland entkamen. In den Wäldern vor den Augen der Europäer verborgen, setzten sie alles daran, die Industrie zu zerstören, die sie ausgebeutet hatte. Mehr als hundert Jahre lang durchstreiften die afrikanischen Guerilleros ungehindert den größten Teil Hispaniolas, wobei sie ihre Aktivitäten mit dem Gold finanzierten, das sie aus den Bergbächen wuschen. Dafür kauften sie bei spanischen Händlern Kleidung, Schnaps und Eisen – viele Exsklaven schmiedeten Pfeilspitzen und Schwerter. Kein Wunder, dass die Zuckerproduzenten der Insel aufs Festland zogen! In Mexiko gab es nicht nur mehr Land und indianische Arbeitskräfte, es wurde auch nicht von Tausenden Anti-Zucker-Guerilleros heimgesucht. Im nächsten Kapitel werde ich eingehender auf die Sklavenaufstände zu sprechen kommen. [596]
    Unter den Zuckerrohrpflanzern, die einen solchen Ortswechsel vornahmen, war auch Hernán Cortés gewesen, der als ganz junger Mann nach Hispaniola gekommen war und dort die Entfaltung dieses Wirtschaftszweigs in der Siedlung Azúa de Compostela beobachtet hatte. Auf seinen neuen Besitzungen in Mexiko galt sein vordringliches Interesse den Zuckermühlen, obwohl ihre Fertigstellung infolge seiner Abenteuerlust zehn Jahre lang auf sich warten ließ. [597] Auch auf anderen
encomiendas
wurden solche Mühlen in Betrieb genommen, als sich die Zuckerrohrplantagen entlang der Golfküste ausbreiteten und um den warmen, feuchten Hafen Veracruz drängten.
    Zwischen 1550 und 1600 verdreifachten sich die Preise, obwohl die Produktion gesteigert wurde. Wirtschaftswissenschaftler würden sagen, dass dieses Phänomen – steigende Preise trotz erhöhten Angebots – auf verstärkte Nachfrage schließen lasse. Und sie hätten recht. Spaniens Eroberung des Dreibunds hatte dessen Bürger mit den Wonnen von C 12 H 22 O 11 bekannt gemacht. Es zeigte sich, dass die Völker Zentralmexikos ein ebenso unstillbares Verlangen nach Süßem hatten wie die Europäer. «Es ist schon aberwitzig, wie viel Zucker und Eingemachtes in den westindischen Ländern konsumiert wird», wunderte sich der Historiker José de Acosta in den 1580 er Jahren. [598]
    Nun gelangten die Afrikaner nicht mehr nur in kleinen, überschaubaren Gruppen nach Amerika. Der Anstieg der Zuckerproduktion in Mexiko und in Brasilien öffnete die Schleusentore. Zwischen 1550 und 1650  – in den hundert Jahren nach Cortés’ Vertrag ungefähr – brachten Sklavenschiffe rund 650 000 Afrikaner über den Atlantik, die sich insgesamt mehr oder weniger gleich auf Spanisch- und Portugiesisch-Amerika verteilten. In diesen Regionen übertraf die Zahl der afrikanischen Immigranten die der europäischen Einwanderer um mehr als das Doppelte, während England, Frankreich und andere europäische Länder im Sklavenhandel noch kaum eine Rolle spielten. Egal, wohin die Spanier und Portugiesen gingen, sie taten es in Begleitung von Afrikanern. Schon bald war deren Verbreitung auf dem amerikanischen Kontinent größer als die der Europäer, was ungeahnte Folgen hatte. [599]
    Die einen als Soldaten, die anderen als Diener und Sklaven, zogen Afrikaner mit den spanischen Konquistadoren, als diese über Guatemala und Panama herfielen. Zu Tausenden gelangten sie nach Peru und Ecuador – Francisco Pizarro, der Eroberer des Inkareichs, und seine Familie erhielten in den ersten Jahren der Eroberung 250  Lizenzen zur Einführung von Sklaven. Am Rio Grande schlossen sich die Afrikaner Indianergruppen an und nahmen sogar an Angriffen auf ihre ehemaligen Herren teil. Will man einem entsetzten

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