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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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wuchs. Im Vergleich dazu war eine Kartoffelfarm in Iowa – Hunderte von geordneten Reihen mit einer einzigen Art – eine festlich gedeckte Tafel. Durch die Anpassung an die Kartoffel konnte der Käfer viel mehr Ressourcen für die Fortpflanzung mobilisieren als jemals zuvor; dadurch explodierte seine Zahl. Das Gleiche galt für andere Schädlinge – die Kraut- und Knollenfäule ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür; auch sie konnte von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen. Jeder dieser riesigen neuen Betriebe hielt ein fabelhaftes Nahrungsangebot für die Arten bereit, die daraus Nutzen ziehen konnten.
    Die Bauernhöfe wurden sich immer ähnlicher, ein Merkmal des Homogenozäns. Da die Landwirte nur einige Varietäten einer einzigen Art anbauten, brauchten die Schädlinge auch nur ein begrenztes Arsenal von natürlichen Abwehrkräften zu überwinden. War es einer Spezies gelungen, sich den Kartoffeln an einem Standort anzupassen, war sie auch an anderen Orten erfolgreich. Die Schädlinge brauchten nur von einem Nahrungsangebot zum nächsten zu springen – eine Aufgabe, die leichter war denn je dank moderner Erfindungen wie Eisenbahn, Dampfschifffahrt und Kältetechnik. Die industrielle Landwirtschaft lieferte den Insekten nicht nur eine Reihe reichhaltiger, identischer Angebote; die schnelleren, dichteren Transportnetze erleichterten es weit entfernten Arten auch, diese Schlaraffenländer zu erreichen. 1898 schätzte L. O. Howard, Rileys Nachfolger, dass mindestens siebenunddreißig der siebzig schlimmsten Insektenschädlinge in den USA in jüngerer Zeit eingeschleppt worden waren. Hinsichtlich des Ursprungs von sechs anderen war er sich nicht sicher.
    Dieses Titelbild, das 1877 in einer Ausgabe der Londoner Zeitungsbeilage
Funny Folks
erschien, lässt darauf schließen, dass die britischen Bauern die Ankunft des Kartoffelkäfers fürchteten.
    Die letzten Jahre des 19 . Jahrhunderts waren folglich eine Zeit der Insektenplagen. Der Baumwollkapselkäfer, der aus Mexiko eingeführt wurde, vernichtete so viel Baumwolle in den Südstaaten, dass der Gouverneur von South Carolina zur Bekämpfung des Insekts einen Tag des öffentlichen Gebets und Fastens ausrief. Die Australische Wollschildlaus fiel über die kalifornischen Zitrusanbaugebiete her. Ein europäischer Import, der Ulmenblattkäfer, verwüstete die Ulmen in den amerikanischen Städten; das später aus Asien eingeschleppte Ulmensterben vernichtete nahezu den gesamten Ulmenbestand östlich des Mississippi. Die Vereinigten Staaten revanchierten sich mit der Reblaus, die in weiten Teilen Frankreichs und Italiens die Weinberge ruinierte.
    Die Lösung für den Weinbau entdeckte Riley. Der Vorsitzende der Entomological Commission pfropfte europäische Reben auf amerikanische Wurzelstöcke auf, die gegen die Reblaus resistent sind. Noch Jahrzehnte später hatten die meisten französischen und viele italienische Reben amerikanische Wurzeln. Für die Kartoffel war die Lösung radikaler: das Schweinfurter oder Pariser Grün. [484]
    Angeblich hat ein Bauer die insektiziden Eigenschaften des Schweinfurter Grüns entdeckt, als er den Anstrich seiner Fensterläden beendet hatte und den Rest der Farbe in einem Wutanfall auf seine vom Kartoffelkäfer befallenen Pflanzen schüttete. Ihren Smaragdton verdankte die Farbe im Wesentlichen den Bestandteilen Arsen und Kupfer. Ende des 18 . Jahrhunderts entwickelt, war Schweinfurter Grün weit verbreitet in Farben, Stoffen und Tapeten. Die Landwirte vermischten es mit großen Mengen Mehl und streuten es auf ihre Kartoffeln oder verdünnten es mit Wasser und versprenkelten es.
    Das Schweinfurter Grün war eine einfache, verlässliche Lösung: Farbe kaufen, nach den Angaben des Herstellers mit Mehl oder Wasser mischen, auf den Pflanzen verteilen und den Käfern beim Sterben zuschauen. Für Kartoffelbauern war das Schweinfurter Grün ein Geschenk des Himmels. Für die gerade entstehende chemische Industrie war es etwas, das man verändern, verbessern und erweitern konnte. Wenn Arsen Kartoffelkäfer tötete, warum sollte man es dann nicht auch an anderen Schädlingen erproben? Warum sollte man das Schweinfurter Grün nicht auf all diese unerfreulichen Zeitgenossen schütten: die Baumwollraupen, Apfelwürmer, Apfelwickler, Ulmenblattkäfer, Wacholdermotten und den Schädling der Blaubeeren, die Gespenstschrecke? Arsen tötete sie alle. Es war ein Gottesgeschenk für die Baumwollpflanzer, die der Baumwollkapselkäfer an den

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